D a s   L i b e r a l e   T a g e b u c h

Sammlung Originaldokumente aus „Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de

 

 

 

 

 

Das Grundsatzprogramm

der FDP/DVP Baden-Württemberg

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Autoren, die Grundsatzkommission der FDP/DVP Baden-Württemberg: Florian Berg, Steffi Bermanseder, Jörg Brehmer, Prof. Jörg Menno Harms, Janina Hatt, Jan Havlik, Andreas Knapp, Pascal Kober, Patrick Meinhardt MdB, Dr. Horst Mehrländer, Jochen Merkle, Prof. Karl Moersch, Dr. Markus Müller, Jutta Pagel-Steidl, Dr. Hans-Peter Wetzel MdL, Hartfrid Wolff MdB

 

Entwurf, Stand 15. April 2009

 

 

 

Prolog

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Die freiheitliche Ordnung unserer Gesellschaft steht vor einer Bewährungsprobe.

 

Die Menschen sind durch verschiedene Krisen und die zunehmende Komplexität der Welt verunsichert. Konservative und Sozialisten nutzen diese Verunsicherung, um für ihre autoritären und kollektivistischen politischen Ideen zu werben.

 

Wir Liberalen wissen, dass Menschenwürde, Wohlstand und soziale Verantwortung weder in autoritär geführten Staaten noch in kollektiven Systemen gedeihen können – die Geschichte des 20. Jahrhunderts und der weltweite Vergleich zeigen, dass Gesellschaften den Weg in autoritäre oder kollektive Systeme stets mit Freiheits- und Wohlstandsverzicht und Einbußen an Lebensqualität bezahlt haben.

 

Deshalb werben wir Liberalen unbeirrt für die freiheitliche Gesellschaft und die marktwirtschaftliche Ordnung. Wir alle verdanken dieser Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung unseren Wohlstand und unsere Lebensqualität.

 

Angst und Misstrauen taugen nicht als Treibstoff einer modernen Gesellschaft, sie lähmenden Fortschritt und entziehen der Gesellschaft ihr Fundament.

 

Wir wissen, dass die freiheitliche Gesellschaft auf die menschliche Vernunft baut, die in Gestalt von Bildung, Wissenschaft und Kultur das belastbare Fundament unserer freiheitlichen Ordnung ist.

 

Wir vertrauen dem Menschen, seiner Freiheit, seinem Gewissen und seiner Verantwortung.

 

Wir vertrauen den Familien und den selbstgewählten Gemeinschaften als stabile Waben unserer Gesellschaft und als Orte menschlicher Wärme und gelebter Solidarität.

 

Wir vertrauen der Kraft eines lebendigen gesellschaftlichen Diskurses.

 

Wir vertrauen der Leistungsfähigkeit freier Unternehmen, ihrer Verantwortung und der regulierenden Kraft des Wettbewerbs.


 

Wir vertrauen dem technischen und medizinischen Fortschritt und dem gewissenhaften Umgang mit seinen Erträgen.

 

Wir vertrauen den gewachsenen und gestalteten Strukturen unseres Landes und dem verantwortlichen Umgang der Menschen mit ihrer Heimat.

 

Und wir vertrauen dem Staat als Diener der Gesellschaft.

 

Das sind die sieben Säulen einer menschlichen Gesellschaft, in der Menschenwürde, Wohlstand und soziale Verantwortung gedeihen können. Gestützt auf diese Säulen werden wir auch im 21. Jahrhundert die Zukunft gewinnen.

 

Unser Vertrauen ist nicht voraussetzungslos. Wir brauchen Entscheidungsträger in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, die in ihrem Handeln ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Staat und Gesellschaft dürfen und sollen diese Verantwortung einfordern.

 

Wir wollen möglichst viele Menschen überzeugen, mit uns gemeinsam für dieses erfolgreiche und zukunftsfähige Gesellschaftsmodell einzutreten und es im Wettbewerb der Ideen durchzusetzen.

 

Deshalb legen wir dieses Grundsatzprogramm der baden-württembergischen FDP vor.

 


 

 

Präambel

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(1)                   Die Idee des Liberalismus prägt seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend die europäische Geschichte: Die Idee einer freiheitlichen Gesellschaft, in der die Menschen in Freiheit und Verantwortung ihre Zukunft selbst gestalten und in der dem Staat keine absolute Macht und auch keine geistig-moralische Führung, sondern nur die Funktion eines loyalen Dieners bei der Erfüllung weniger Kernaufgaben zukommt.

 

 

(2)                   Die Idee des Liberalismus hat sich im 19. Jahrhundert gegen die Kräfte der Restauration, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem schmerzlichen Prozess gegen den Totalitarismus und in der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts gegen den real existierenden Kommunismus durchgesetzt. Der Kampf gegen die Feinde der Freiheit hat viel Engagement und viel Blutvergießen mit sich gebracht. Wir fühlen uns all denen verpflichtet, die im Kampf für die Freiheit Leib und Leben eingesetzt und verloren haben.

 

 

(3)                   Im deutschen Südwesten ist die Idee des Liberalismus von Anfang an auf fruchtbaren Boden gefallen. Sie korrespondiert mit dem Lebensgefühl und dem besonderen Selbstbewusstsein der Badener und Württemberger und prägt in besonderem Maße die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in unserer Region. Viele Gedanken des Liberalismus sind im Denken und Fühlen der Menschen in Baden-Württemberg tief verwurzelt: Wir sprechen zu Recht vom Stammland der Liberalen.

 

 

(4)                   Mit dem Grundgesetz, seinem Bekenntnis zur Menschenwürde und den unveräußerlichen Menschenrechten, mit der Anerkennung der Grundrechte als Grenzen staatlicher Befugnisse und mit der Schaffung eines demokratischen Rechtsstaates sind die Grundzüge des Liberalismus zur verbindlichen Grundlage von Staat und Gesellschaft in Deutschland geworden. Sie werden in den Grundzügen von allen demokratischen Kräften in unserem Land geteilt und vom Bundesverfassungsgericht in eindrucksvoller Weise gegen politische Fehlentwicklungen verteidigt.

 

 

(5)                   Die freiheitliche Gesellschaft hat sich als eine Lebensform erwiesen, in der jeder Mensch nach seinen Vorstellungen und nach Maßgabe seiner Möglichkeiten sein Glück erstreben kann und in der für alle ein wirtschaftlicher Wohlstand möglich geworden ist, von dem unsere Vorfahren noch vor wenigen Jahrzehnten kaum zu träumen wagten.

 

 

(6)                   Wir wollen, dass die Menschen in unserem Land sich auch im 21. Jahrhundert als freiheitliche Gesellschaft konstituieren und die Früchte dieses erfolgreichen Gesellschaftsmodells genießen können. Deshalb werden wir gemeinsam mit den anderen demokratischen Kräften allen Feinden der Freiheit entschlossen entgegentreten, die zu totalitären Gesellschaftsmodellen zurückwollen und die die Menschenwürde und Freiheit nicht als zentrale Werte achten.

 

 

(7)                   Wir wollen die freiheitliche Gesellschaft auch gegen jene politischen Rückschritte verteidigen, die den Menschen Stück für Stück ihre Freiheit nehmen und damit Lebensqualität und Wohlstand beschneiden. Wir wollen die Idee der Freiheit auch für jene Bereiche fruchtbar machen, in denen bei uns auch heute noch Staatsgläubigkeit und die Idee einer zentralen Verwaltungswirtschaft vorherrschen.

 

 

(8)                   Deshalb treten wir in einen offenen demokratischen Wettbewerb mit Konservativen und Sozialisten, die sich bei den politischen Weichenstellungen des Alltags nicht immer für die Freiheit, sondern immer häufiger für zentralistische und autoritäre Strukturen entscheiden. Für uns gilt: Die Idee der freiheitlichen Gesellschaft hat sich bewährt und soll auch in den kommenden Jahrzehnten Leitlinie und Grundlage unserer politischen Entwicklung sein.

 

 

(9)                   Die besondere Herausforderung, vor der unsere Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts steht, ist die zunehmende Komplexität unserer Welt und die Geschwindigkeit, mit der sie sich verändert. Die natürliche Reaktion darauf ist das Entstehen von diffusen Ängsten und der Ruf nach Reduktion der Komplexität durch einfache, gegebenenfalls auch autoritäre Strukturen. Dieses Klima der Verunsicherung wird von unseren politischen Wettbewerbern genutzt, um in der Gesellschaft durch neue Gesetze und staatliche Eingriffe eigene Vorstellungen verbindlich zu machen.

 

 

(10)                Wir Liberale setzen uns dafür ein, dieser Versuchung nicht zu erliegen. Wir wissen, dass Freiheit und Wohlstand mit einem hohen Maß an Komplexität und Veränderung einhergehen. Wir alle profitieren von einer ausdifferenzierten Wirtschaft und Gesellschaft und davon, dass wir eben keine primitive, einfach zu verstehende Gesellschaft mehr sind.

 

 

(11)                Unsere liberale Antwort auf zunehmende Komplexität, Veränderungen und wachsende Ängste sind Bildung, Wissenschaft und Kultur. Sie sind die Fundamente einer offenen, freiheitlichen Gesellschaft und sorgen dafür, dass wir die wachsende Komplexität nicht nur intellektuell und emotional bewältigen können, sondern der kommenden Entwicklung der Welt sogar ein Stück vorangehen. Eine Gesellschaft, die auf Bildung, Wissenschaft und Kultur zurückgreifen kann, wird der zunehmenden Komplexität nicht hilflos gegenüberstehen, sondern sie aktiv gestalten und ihr im Wettbewerb der Ideen und Erkenntnisse eine Richtung geben.

 

 

(12)                Wir setzen auch im 21. Jahrhundert auf eine moderne, freiheitliche Gesellschaft, die auf den technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt vertraut. Dabei stützt sich unser Vertrauen vor allem auf sieben Säulen.

 

 

 

Säule 1

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Wir vertrauen dem freien Menschen, seiner Vernunft und seinem gebildeten Gewissen

 

 

(13)                Der Mensch mit seiner Individualität und seiner unveräußerlichen Menschenwürde steht im Mittelpunkt jeder freiheitlichen Gesellschaft. Er ist der Maßstab allen politischen und gesellschaftlichen Handelns. Die Würde eines Menschen ist unabhängig von seiner sozialen oder nationalen Herkunft, unabhängig von seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit. Jeder Mensch hat Anspruch auf Achtung und Wahrung seiner Menschenwürde und auf Respekt vor seiner naturgegebenen Autonomie.

 

 

(14)                Der Mensch ist frei. Er soll die Maximen seines Handelns frei von äußerem Zwangbestimmen und realisieren können. Diese Freiheit ist dem Menschen von Natur aus gegeben und nicht von Staat und Gesellschaft verliehen.

 

 

(15)                Der Mensch hat nicht nur ein unveräußerliches Menschenrecht auf seine persönliche Freiheit, er hat auch die Verpflichtung, von dieser Freiheit verantwortlich Gebrauch zumachen.

 

 

(16)                Die Freiheit verlangt Entscheidungen, die ein Mensch nur dann verantwortlich treffen kann, wenn er die Wirkungen seines Handelns abschätzen und Alternativen sinnvoll bewerten kann. Dafür braucht der Mensch ein Gewissen, das durch Lebenserfahrung und eine wertorientierte Bildung und Erziehung geformt wird. Es ermöglicht ihm, von seiner Freiheit mit Anstand Gebrauch zu machen und dabei die Freiheit und die Interessen anderer Menschen zu respektieren. Das gebildete Gewissen ist wirksamer und wertvoller als jede staatliche Norm.

 

 

(17)                Die Freiheit des Menschen erstreckt sich insbesondere auf die Gestaltung seiner privaten Angelegenheiten, in die Staat und Gesellschaft nicht eindringen dürfen. In einer freiheitlichen Gesellschaft wird dieser Kernbereich der Autonomie geachtet und respektiert. Er ist nicht nur dem Zugriff des Staates entzogen, sondern in der Regel auch nicht Gegenstand des gesellschaftlichen Diskurses. Ziel liberaler Politik ist es, die Freihit, die der einzelne bei der Ausgestaltung seines privaten Lebens hat, nicht nur zu wahren, sondern auszubauen.

 

 

(18)                Freiheit kann nur dann sinnvoll wahrgenommen werden, wenn der Mensch über die notwendige materielle Grundlage verfügt. Materielle Armut ist deshalb kein Gleichheits-, sondern ein Freiheitsproblem und für jede freiheitliche Gesellschaft eine Herausforderung, die sie nicht ruhen lässt.

 

 

(19)                Staatlich organisierte Solidarität ist angesichts materieller Armut zu wenig. Der arme Mensch bedarf der individuellen Förderung durch die Gesellschaft, die ihn in die Lageversetzt, seine materielle Lebensgrundlage nachhaltig selbst zu erarbeiten. Armut durch das Beschneiden des Wohlstandes anderer Menschen zu bekämpfen, löst das Freiheitsproblem des Armen nicht.

 

 

(20)                Ein wichtiger Aspekt der äußeren Freiheit ist die Mobilität der Menschen. Sie gibt der individuellen Freiheit eine räumliche Dimension und lässt die Welt zusammenwachsen. Die Unternehmen in Baden-Württemberg tragen mit ihren Produkten weltweit erfolgreich zur Mobilität der Menschen bei. Wir erwarten, dass Staat und Gesellschaft mit den von ihnen gesetzten Rahmenbedingungen diese Mobilität fördern und nicht behindern.

 

 

(21)                Freiheit ist auch die Freiheit, den Lebensmittelpunkt frei zu wählen und während seines Lebens nach eigenen Vorstellungen zu wechseln (Freizügigkeit). Als weltoffenes Land profitiert Baden-Württemberg von der biografischen Mobilität der Menschen: Migration ist in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht Ausnahme, sondern in vielen Biografien der Normalfall. Staat und Gesellschaft müssen diese Entwicklung endlich akzeptieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass der Wechsel des Lebensmittelpunkts erleichtert und nicht mit unnötigen bürokratischen Hindernissen versehen wird.

 

 

 

Säule 2

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Wir vertrauen den Familien und den selbst gewählten Gemeinschaften, ihrer Autonomie und der Kraft der persönlichen Bindungen

 

 

(22)                Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er verwirklicht die Maximen seines Handelns nicht allein, sondern in selbst gewählter Gemeinschaft. Diese selbst gewählten Gemeinschaften sind die Waben, die in einer freiheitlichen Gesellschaft Selbständigkeit, Schutz und Rückzugsmöglichkeit bieten. Sie halten die freiheitliche Gesellschaft zusammen und geben ihr in ihrer Vielzahl jene Stabilität, die sie braucht, um verlässlicher Lebensraum für die Menschen zu sein.

 

 

(23)                Die wichtigsten Verantwortungsgemeinschaften sind Ehe und Familie. Sie sind autonome Nischen und zugleich die stabilen Keimzellen der freiheitlichen Gesellschaft. Staat und Gesellschaft haben die Autonomie des Familienlebens zu respektieren und durch einen rechtlichen Rahmen dafür zu sorgen, dass familiäre Strukturen den Menschen eine sichere und dauerhafte Lebensgrundlage bieten. Die Familie ist der wichtigste Ort, an dem auch ohne staatliche Anleitung Solidarität und menschliche Wärme gelebt und erlebt werden.

 

 

(24)                Das staatliche Familien- und Erbrecht muss sich daher loyal zur Institution Familie verhalten. Rechtliche Gestaltungen, die die Entscheidung für die Familie erschweren oder ihnen zusätzliche Lasten aufbürden, tragen dieser Verpflichtung des Gesetzgebers nicht Rechnung.

 

 

(25)                Im 21. Jahrhundert wird die Institution der Ehe durch alternative Lebens- und Verantwortungsgemeinschaften ergänzt, die in gleicher Weise Rückzugsraum und Ort gelebter Solidarität und menschlicher Wärme sein können. Auch sie entlasten in gleicher Weise wie Familien die Gesellschaft und tragen mit ihren auf Dauer angelegten Strukturen zur Stabilität der freiheitlichen Gesellschaft bei. Sie verdienen deshalb in ähnlicher Weise wie Familien Respekt und Förderung durch Staat und Gesellschaft.

 

 

(26)                Örtliche Gemeinschaften und Nachbarschaften, in denen sich Menschen mit gleichen Neigungen und Interessen zusammenfinden, sind weitere Waben, in denen sich soziales Leben organisiert. In diesen freiwillig gebildeten und autonom gestalteten Gemeinschaften wird aktive Solidarität gelebt. Sie tragen zum Heimatgefühl der Menschen bei und erzeugen jenes Maß an Verbindlichkeit menschlicher Beziehungen, die kein staatliches Gesetz und keine behördliche Aktivität je bewirken kann. Diese örtlichen Gemeinschaften haben in Baden und Württemberg eine besondere Tradition und geben unserem Land seine besondere Eigenart.

 

 

(27)                Die weitgehende Autonomie, die eine freiheitliche Gesellschaft den selbst gewählten Gemeinschaften belässt, führt zu kraftvollen persönlichen Beziehungen. Gegenseitiger Respekt und Gemeinsinn begrenzen auf natürliche Weise den Spielraum jedes Menschen, der sich in kleine Gemeinschaften einfügt. Deshalb kommt staatlichen Normen in diesem Bereich nur eine untergeordnete Funktion zu. Der Staat und das Recht sollen eigenständige Gemeinschaften möglich machen, ihnen Verbindlichkeit und Stabilität geben, aber nicht durch Regulierung in ihre inneren Angelegenheiten eingreifen.

 

 

(28)                Die kleinen Gemeinschaften, wie z.B. Vereine, Chöre, Orchester, Theatergruppen, sind gerade in Baden-Württemberg wichtige kulturelle Quellen, die sehr zur Vielfalt und zur Bereicherung unseres kulturellen Lebens beitragen. Sie verdienen Respekt und Förderung.

 

 

(29)                Im Bereich des Wirtschaftslebens sind es die kleinen und mittleren Unternehmen, die die Kraft kleiner Gemeinschaften für das Wirtschaftsleben fruchtbar machen. Ohne sie wäre der immense wirtschaftliche Fortschritt der letzten 200 Jahre in Baden-Württemberg nicht möglich gewesen. Diese mittelständische Struktur muss auch in Zukunft das Markenzeichen der baden-württembergischen Wirtschaft sein.

 

 

 

Säule 3

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Wir vertrauen der offenen Gesellschaft und der Kraft des gesellschaftlichen Diskurses.

 

 

(30)                Die freiheitliche Gesellschaft ist die Gemeinschaft aller Menschen, die jenseits persönlicher Bindungen durch einen gemeinsamen Kommunikationsraum geschaffen wird und die ihre Identität durch einen lebendigen Meinungsaustausch und einen Wettbewerb der Ideen täglich neu gewinnt. Sie bedarf in der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts keiner genetischen Rechtfertigung (Nation) und braucht auch keine juristischen Konditionierung (Staatsangehörigkeit), sondern beruht auf der natürlichen sozialen Orientierung der Menschen, die in unserem Land räumlich dicht zusammenleben.

 

 

(31)                Kommunikation und Meinungsaustausch sind in der freiheitlichen Gesellschaft kein Spiel, sondern Kraftquelle und Verbindung. Nur wenn alle Teile der Gesellschaft in diesen Kommunikationsprozess einbezogen sind, kann der gesellschaftliche Diskurs seine produktive, stabilisierende und integrierende Wirkung entfalten. Dabei kommt der gemeinsamen Sprache eine zentrale Bedeutung zu.

 

 

(32)                Wir brauchen deshalb Menschen, die verantwortlich an diesem Diskurs teilhaben und ihn aktiv mitgestalten, die nicht nur ihre eigenen Interessen artikulieren, sondern ebenso gemeinwohlorientierte Beiträge leisten und die wissen, dass die Stabilität einerfreiheitlichen Gesellschaft auch auf der Qualität der gesellschaftlichen Kommunikation beruht. Daher kommt den Medienschaffenden eine Schlüsselfunktion in unserer Gesellschaft zu. Sie sollen die Triebfedern des gesellschaftlichen Diskurses sein.

 

 

(33)                Ihre produktive Kraft gewinnt eine offene Gesellschaft durch das Zusammenwirken der Menschen in einem pluralistischen Wettbewerb der Ideen. Deshalb sind Meinungs- und Pressefreiheit nicht nur wichtige individuelle Grundrechte, sondern unverzichtbare Grundlage einer produktiven Gesellschaft. Sie dürfen nicht angetastet werden.

 

 

(34)                Meinungsvielfalt stellt an die Beteiligten höhere Anforderungen als eine gelenkte Kommunikation. Wir brauchen Menschen und Institutionen, die sich kraftvoll und mit klaren Positionen am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen und jene fruchtbare Auseinandersetzung erst möglich machen, aus der sich gesellschaftlicher Fortschritt ergibt.

 

 

(35)                Die Rolle des Staates bei der Organisation des gesellschaftlichen Diskurses ist begrenzt. Seine Aufgabe ist es, wo nötig, Orte zur Verfügung zu stellen, an denen gesellschaftliche Kommunikation sichtbar werden kann. Dazu gehören die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Schulen und Hochschulen, die Parlamente und die staatlichen Kultureinrichtungen – sie sind Kommunikationsknoten, die das lose Nebeneinander von Kommunikationsfäden zu einem Netz werden lassen.

 

 

(36)                Ihre stabilisierende Wirkung gewinnt die freiheitliche Gesellschaft, indem sie von allen Menschen Verantwortung einfordert. Grundlage dieses ethischen Diskurses sind gesellschaftliche Konventionen, die in fast allen Lebensbereichen wirksamer sind als staatliche Gesetze. Grundlage gesellschaftlicher Normen sind der natürliche Gemeinsinn der Menschen, auf den wir vertrauen, und eine lebendige Wertordnung, die durch einen verantwortlichen gesellschaftlichen Diskurs entsteht und von der Gesellschaft auch ohne staatliche Normierung als legitim akzeptiert wird: Menschlicher Anstand und gegenseitiger Respekt sind für das Funktionieren einer freiheitlichen Gesellschaft essentiell.

 

 

(37)                Ihre integrierende Wirkung gewinnt eine freiheitliche Gesellschaft durch die Offenheit des gesellschaftlichen Diskurses und durch gesellschaftliche Solidarität. Niemand darf mit seinen existenziellen Problemen allein gelassen werden, jedes menschliche Schicksal ist eine Herausforderung für die freiheitliche Gesellschaft.

 

 

(38)                Gerade die Gesellschaft im deutschen Südwesten zeigt, dass es viele Orte und Institutionen gibt, an denen sich gesellschaftliche Solidarität zeigt, ohne dass es dafür staatlicher Leitung bedarf: Das Spektrum reicht von den großen Freiwilligenorganisationen über die zahlreichen kirchlichen Einrichtungen bis hin zu Vereinen und ehrenamtlichen Engagements einzelner Menschen, die allen Mitgliedern unserer Gesellschaft zugute kommen. Wir Liberalen bekennen uns dazu, dass Menschen sich auch jenseits persönlicher Beziehungen bei existenziellen Herausforderungen Solidarität schulden und geben.

 

 

 

Säule 4

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Wir vertrauen freien Unternehmen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und der regulierenden Kraft des Wettbewerbs

 

 

(39)                Der Markt, auf dem freie Unternehmen im fairen Wettbewerb Güter und Dienstleistungen anbieten, hat sich in zwei Jahrhunderten als Quelle zunehmenden Wohlstandsund wirtschaftlichen Wachstums bewährt. Ohne dass es des steuernden Eingriffs der Obrigkeit bedarf, bringt er Angebot und Nachfrage zur Deckung und sorgt dafür, dass die Menschen ein vielfältiges Angebot an Gütern und Dienstleistungen vorfinden, auf das sie zur Deckung ihres Bedarfs zurückgreifen können.

 

 

(40)                Der Markt mit seinen dezentralen Entscheidungen entspricht dem Menschenbild der freiheitlichen Gesellschaft, das den Menschen als selbstverantwortlich handelndes freies Wesen begreift, sei es, dass er als Unternehmer Waren und Dienstleistungen produziert und anbietet, sei es, dass er als Verbraucher diese Güter nach Maßgabe seiner eigenen Vorstellungen nachfragt.

 

 

(41)                Wir vertrauen auf den freien Unternehmer als ehrbaren Kaufmann, der weiß, dass er Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den Menschen trägt, mit denen er in wirtschaftliche Beziehungen tritt und deren Vertrauen er gewinnt. Der Wettbewerbselbst sorgt für die notwendige Regulation, indem er unprofessionelles oder unverantwortliches Unternehmerhandeln mit wirtschaftlicher Erfolglosigkeit bestraft.

 

 

(42)                Nur dort, wo die disziplinierende Kraft des Wettbewerbs nicht greift oder wo Wettbewerb nicht stattfinden kann oder durch unlauteres Verhalten behindert wird, hat der Staat das Mandat, regulierend und ggf. auch vollziehend in das Wirtschaftsleben einzugreifen. Staatliches Handeln muss sich in einer freien Marktwirtschaft auf das Setzen von Regeln und ihre Durchsetzung beschränken. Der Staat soll nicht selbst als Akteur auf den Märkten in Erscheinung treten und möglichst auch nicht durch Subventionen oder ähnliche Eingriffe in die regulierende Funktion des Marktes eingreifen.

 

 

(43)                In einer freiheitlichen Gesellschaft werden Gemeinschaften, die auf personalen Beziehungen beruhen, auch für die Wirtschaft fruchtbar gemacht. Die Stärke der kleinen und mittleren Unternehmen liegt darin, dass sie persönliche Bindungen zwischen dem Unternehmer und den Mitarbeitern im Betrieb in wirtschaftliche Leistungsfähigkeit umsetzen. Noch weiter entwicklungsfähig ist das Modell der Genossenschaft, mit dem Menschen ihre gemeinsamen Interessen solidarisch auf dem Markt zur Geltung bringen können.

 

 

(44)                Grundlage für Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen ist in einer freiheitlichen Gesellschaft die menschliche Arbeit und Kreativität. Es gibt– von wenigen Glücksfällen abgesehen – keine Wertschöpfung ohne menschliche Arbeit. Sie ist Grundlage des Wohlstands und zugleich ein wichtiger Aspekt der Selbstverwirklichung des einzelnen Menschen. Der Respekt vor der Arbeit und den arbeitenden Menschen ist daher in einer freiheitlichen Gesellschaft ein unverzichtbarer Wert. Alle Maßnahmen oder staatlichen Eingriffe, die auf die Verhinderung von menschenwürdiger Arbeit hinauslaufen, haben in einer freiheitlichen Gesellschaft keinen Platz.

 

 

(45)                Eigentum ist das Ergebnis menschlicher Arbeit und verdient denselben Respekt des Staates und der Gesellschaft wie die Arbeit selbst. Staatlicher Zugriff auf das Eigentum Privater darf deshalb nur in wenigen wohl begründeten Ausnahmefällen und nur um den Preis einer angemessenen Entschädigung erfolgen. Die Achtung des Eigentums ist eine wichtige Grundlage der freiheitlichen Gesellschaft.

 

 

(46)                Eigentum ist ein zentrales Ordnungsprinzip der freiheitlichen Gesellschaft. Eigentum bestimmt den sachlichen Umfang der Autonomie des Einzelnen und überträgt ihm zugleich die individuelle Verantwortung für sein Eigentum und die von ihm ausgehenden Einwirkungen auf andere Menschen. Soweit diese Verantwortung reicht, schuldet der Eigentümer der Gesellschaft Rechenschaft im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses.

 

 


 

Säule 5

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Wir vertrauen dem technischen und medizinischen Fortschritt, der Kreativität unserer Ingenieure und Forscher und ihrem verantwortlichen Umgang mit den Erkenntnissen der Wissenschaft

 

 

(47)                Der enorme Zuwachs an Lebensqualität in den letzten 150 Jahren ist vor allem dem technischen und medizinischen Fortschritt zu verdanken. Wir vertrauen darauf, dass die Lebensqualität der Menschen auch in Zukunft durch neue Erkenntnisse und Produkte technischer Entwicklung und medizinischer Forschung wachsen wird. Wir wollen, dass Staat und Gesellschaft diesen Fortschritt positiv begleiten und fördern und dass die Ergebnisse technischer Entwicklung und medizinischer Forschung allen Menschen zur Verfügung stehen.

 

 

(48)                Eine wichtige Quelle wirtschaftlichen Wohlstands gerade im deutschen Südwesten sind die Leistungen unserer Forscher, Ingenieure und Techniker. Ihrer Kreativität und Leistungsfähigkeit ist es zu verdanken, dass unsere Unternehmen in vielen Bereichen zu den Marktführern gehören. Viele wichtige Erfindungen und technische Entwicklungen haben von Baden-Württemberg aus die Weltmärkte erobert. Das soll auch in Zukunft so bleiben.

 

 

(49)                Wir brauchen deshalb auch in Zukunft Ausbildungsstätten, die leistungsfähige Absolventen ausbilden. Baden-Württemberg zeichnet sich durch eine vielfältige Ausbildungslandschaft aus, in der Universitäten, Fachhochschulen und duale Hochschulen (Berufsakademien) um die besten Abiturienten konkurrieren. Daneben kommt den technischen Fachschulen und den Berufsschulen eine Schlüsselstellung zu. Staat und Gesellschaft müssen gewährleisten, dass Vielfalt und Qualität an diesen Einrichtungen erhalten bleibt und gleichzeitig eine ständige Anpassung an neue Entwicklungen stattfindet.

 

 

(50)                Eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind die knapper werdenden Energieressourcen. Wir vertrauen darauf, dass die Forschung Lösungen findet, wie Lebensqualität und Wohlstand auch bei knapper werdenden fossilen Energieträgern bewahrt werden können.

 

 

(51)                Baden-Württemberg ist ein wichtiger Standort der medizinischen und pharmazeutischen Forschung und der Medizintechnik. Wir verfügen in diesen Branchen über Unternehmen von Weltrang, über vier ausgezeichnete Universitätsklinika mit zahlreichen Partnerkliniken sowie über bedeutende medizinische Großforschungseinrichtungen wie z.B. das Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Um den Standort zu sichern, bedarf es guter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die medizinische Forschung: Dazu gehört ihre gesellschaftliche Akzeptanz, die Ausstattung der staatlichen und halbstaatlichen Einrichtungen mit ausreichend Kapital und personellen Ressourcen und die Möglichkeit, dass sich Investitionen in die medizinische Forschung am Markt amortisieren. Dazu bedarf es eines Strukturwandels in unserem Gesundheitswesen – weg von der auf Mittelknappheit ausgerichteten Zentralverwaltungswirtschaft hin zu einem freiheitlich-marktwirtschaftlich orientierten Gesundheitswesen, das in diesem wichtigen Bereich Wachstum generiert.

 

 

(52)                Eine freiheitliche Gesellschaft braucht auch ein freiheitlich organisiertes Gesundheitswesen. Unsere Ärzte, die an den medizinischen Fakultäten hervorragend ausgebildet werden, sollen ihre Dienste in Freiheit und nicht als Knechte einer staatlichen Bürokratie anbieten können, die Bürgerinnen und Bürger sollen ihre Leistungen als selbstbewusste Kundinnen und Kunden nach ihren Bedürfnissen nachfragen können. Ein Gesundheitswesen, in dem planwirtschaftliche Methoden dazu führen, dass permanente Ressourcenknappheit herrscht, wird es auf Dauer nicht schaffen, den medizinische Fortschritt für alle Bürgerinnen und Bürger verfügbar zu machen.

 

 

(53)                Der medizinische Fortschritt sorgt nicht nur für ein stetiges Wachstum der Lebensqualität, sondern führt auch zu neuen Herausforderungen. Mit der steigenden Lebenserwartung der Menschen geht die Notwendigkeit einher, ein menschenwürdiges Leben für alte und kranke Menschen zu sichern und die staatlichen Sozialsysteme an den demografischen Wandel anzupassen. Auch in diesen Bereichen sind in erster Linie die Menschen selbst und erst in zweiter Linie der Staat gefordert: Wir vertrauen auf die Einsicht der Menschen in die begrenzte Leistungsfähigkeit kollektiver Systeme und die Notwendigkeit individueller Vorsorge. Wir vertrauen auf die natürliche Solidarität in der Gesellschaft und auf die Kreativität unserer Unternehmen, Dienstleistungen und technische Produkte anzubieten, die den Menschen auch im Alter ein würdiges Leben ermöglichen. Dazu ist es freilich erforderlich, dass alle Menschen so lange wie möglich ihr Leben eigenverantwortlich gestalten können und über die notwendigen Mittel verfügen, um diese Leistungen und Produkte nachfragen zu können. Die menschliche Zuwendung, die alte und kranke Menschen noch mehr als andere brauchen, wird auch in Zukunft nicht von staatlicher Seite organisiert werden können, sondern gründet auf persönlichen und familiären Bindungen und Gemeinschaften, die wir zu fördern und zu respektieren haben.

 

 

(54)                Technischer und medizinischer Fortschritt bringen auch neue ethische Herausforderungen mit sich. So werfen etwa die Gentechnik, aber auch einzelne Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologie ethische Fragen auf, die wir noch längst nicht zufriedenstellend beantworten können. Auch wenn wir den regulierenden Eingriff des Staates in Einzelfällen befürworten, so muss sichergestellt sein, dass wissenschaftliche Methoden nicht unnötig eingeschränkt und keine Erkenntnisverbote ausgesprochen werden. Wir vertrauen auf das Gewissen der Forscher, der Ärzte und der Ingenieure, auf ihre Verantwortung gegenüber den Menschen und auf einen offenen gesellschaftlichen Diskurs, in dem die Geistes- und Sozialwissenschaften wichtige Motoren sind. Mit der wachsenden Geschwindigkeit des naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritts sind sie in besonderem Maße gefordert.

 

 

 

Säule 6

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Wir vertrauen auf die Stärke des Landes Baden-Württemberg, seine natürlichen und gestalteten Strukturen und auf den verantwortlichen Umgang der Menschen mit ihrer Heimat.

 

 

(55)                Das Land Baden-Württemberg mit seinen natürlichen und von Menschen gestalteten Lebensgrundlagen ist Fundament unseres Wohlstandes und Wohlergehens. Es ist Heimat und Standort, ein Land voller Vielfalt, dessen Lebensart und Weltoffenheit Einheimischen und Zugezogenen Geborgenheit und Heimstatt bietet.

 

 

(56)                Kein anderes deutsches Bundesland erfreut sich einer ähnlich gelungenen Gleichverteilung seines Wohlstandes im ganzen Land. In Baden-Württemberg sind alle Regionen stark und tragen zum Wohlstand bei. Dieses Modell deutscher Möglichkeiten führt den Fleiß und Ideenreichtum aus allen Landesteilen zu einer Kultur der Freiheit, Leistung und Verantwortung zusammen.

 

 

(57)                Wir Liberale sehen Baden-Württemberg auch als ein kulturelles Gemeinschaftsmodell, in dem wir unsere gemeinsamen Erfahrungen und unsere Geschichte für das gesellschaftliche Leben fruchtbar machen. So wissen wir um unsere Geschichte als einer weltoffenen Region, die schon lange beweist, dass nicht Abschottung nach außen, sondern Öffnung zur Welt Wohlstand und hohen Lebensstandard erzeugen. Dieses kulturelle Erbe einer toleranten und offenen Tradition wollen wir Liberale bewahren.

 

 

(58)                Wir vertrauen darauf, dass die Erfolgsgeschichte Baden-Württembergs auch in Zukunft eine Fortsetzung erfährt, weil unsere Kultur des Fleißes, des Widerstandes gegen Ideologien, der Liebe zur individuellen Freiheit und zum freiwilligen Engagement für die Gemeinschaft in Vereinen, Kirchengemeinden und Bürgerinitiativen die Gesellschaft erfolgreich prägt und als Einladung an Menschen mit gleicher Einstellung aus aller Welt verstanden wird.

 

 

(59)                Wir vertrauen darauf, dass sich ländlich geprägte Räume und Metropolregionen gegenseitig ergänzen und stärken. Sie gegeneinander auszuspielen, ist nicht unsere Absicht. Die Vielfalt macht unser Land stark. Wir entwickeln Stärken und Eigenarten und scheren nicht über einen Kamm. Wir lassen zu, dass sich die Metropolregionen zu Standorten und Lebensräumen entwickeln, die europäischen Qualitätsmaßstäben gerecht werden und mit anderen Metropolregionen auf der Welt erfolgreich konkurrieren können.

 

 

(60)                Der ländliche Raum als Lebensraum eigenen Gepräges, als Produktionsstandort hochwertiger und traditionsreicher Lebens- und Genussmittel sowie als Urlaubs- und Erholungslandschaft bleibt erhalten. Im Sinne ausgewogener Lebensverhältnisse wird seiner Entwicklung auch in Zukunft unsere besondere Aufmerksamkeit gelten.

 

 

(61)                Unsere Umwelt ist das Eigentum der ganzen Menschheit. Den lebenden Generationen kommt immer nur ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht zu. Die Umwelt als Eigentum künftiger Generationen ist in seiner Substanz zu erhalten. Nachhaltige Nutzung und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen ist eine Verpflichtung, die die ganze Gesellschaft trifft. Wir gehen davon aus, dass ökologische Verantwortung Teil des gesellschaftlichen Wertekonsenses ist, der auch jenseits staatlicher Normen ein vernünftiges und verantwortliches Verhalten der Menschen hervorruft.

 

 

(62)                Verantwortung für die Umwelt hört nicht an unseren Landesgrenzen auf. Als technologisch hoch entwickelte Region, tragen wir Verantwortung für die weltweite Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen. Der schonende Verbrauch von Ressourcen und die Weiterentwicklung technologischer Lösungen tragen dazu bei, dieser Verantwortung gerecht zu werden.

 

 

 

Säule 7

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Wir vertrauen dem Staat als Diener der Gesellschaft und seiner lebendigen Bindung an das Recht.

 

 

(63)                Mit der Idee des Liberalismus hat sich das Verständnis vom Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft grundlegend geändert. Der freiheitliche Staat herrscht nicht über die Gesellschaft und ihre Entwicklung, sondern ist ein Diener der Gesellschaft. Er ist ein von Menschen geschaffenes Instrument zur Wahrnehmung bestimmter klar umrissener Funktionen und hat keinerlei transzendentale Dimension. Um diese Loyalität des Staatesgegenüber der Gesellschaft zu erzwingen, setzt die Gesellschaft verschiedene Mittel ein, die in der Verfassung für verbindlich erklärt werden:

 

 

(64)                Die Demokratie sorgt über Wahlen und Abstimmungen, aber auch durch den gebotenen Respekt der Staatsorgane gegenüber dem Bürger für eine ständige Rückkoppelung staatlichen Handelns an gesellschaftliche Vorstellungen. Das Mehrheitsprinzip sorgt dabei nicht für eine höhere innere Legitimation, sondern schafft Handlungsfähigkeit und durch die mögliche Veränderung von Mehrheiten auch die Möglichkeit einer Korrektur von Fehlentscheidungen.

 

 

(65)                Die Demokratie verlangt nicht nur von den Staatsorganen Respekt vor der Gesellschaft und ihren Konventionen, sondern verpflichtet auch die Menschen, von den Instrumenten der Demokratie aktiv Gebrauch zu machen. Eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich weitgehend politisch abstinent verhalten, wird ihren Führungsanspruch gegenüber dem Staat nicht verwirklichen können. Den politischen Parteien kommt bei der Umsetzung des demokratischen Auftrags eine unverzichtbare Bedeutung zu: Durch sie werden die Schwellen für effektives politisches Engagement der Bürger gesenkt, sie machen die Kraft selbst gewählter Gemeinschaften für den demokratischen Prozess fruchtbar und reduzieren mit ihren im Wettbewerb formulierten Positionen die Komplexität politischer Entscheidungen. Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, bedarf es eines intensiven kritischen Dialogs zwischen den Parteien und der Gesellschaft, die sie repräsentieren.

 

 

(66)                Der Parlamentarismus macht den gesellschaftlichen Diskurs als Quelle staatlicher Willensbildung fruchtbar. Das Parlament ist zugleich einer der Orte, an denen der gesellschaftliche Diskurs sichtbar geführt wird. Es ist allerdings nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Ort, an dem dies geschieht. Der Staat des 21. Jahrhunderts braucht weitere Elemente der direkten Demokratie: Sie tragen zur Attraktivität und Legitimität des demokratischen Staatswesens bei, erhöhen die Transparenz von politischen Entscheidungen und schaffen eine noch intensivere Verbindung zwischen dem gesellschaftlichen Diskurs und dem politischen System.

 

 

(67)                Der Rechtsstaat verpflichtet den Staat auf die über Jahrhunderte gewachsene Kultur des europäischen Rechts, die die Handlungsfreiheit staatlicher Organe wertorientiert beschränkt und lenkt. Wie die gesamte Kultur ist auch das Recht eine lebendige Größe, die sich in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit täglich weiterentwickelt.

 

 

(68)                Zentrale Werte dieser europäischen Rechtstradition sind der Respekt vor der Autonomie des einzelnen Menschen und der personalen Gemeinschaften sowie die Verbindlichkeit individueller Kommunikation und Konvention.

 

 

(69)                Das Berufsbeamtentum und die Unabhängigkeit der Richter sind zwei wichtige Elemente des Rechtsstaates. Der Staatsdiener, dessen Loyalität in erster Linie dem Recht und erst in zweiter Linie der Macht gilt, gewährleistet die lebendige Bindung staatlichen Handelns an das Recht und damit den Führungsanspruch der Gesellschaft. Allerdings ist der Ort, an dem der Beamte wirken soll, die Exekutive. Dass heute auch in den Gesetzgebungsorganen die Berufsbeamten das Geschehen dominieren, ist eine bedauerliche Fehlentwicklung.

 

 

(70)                In einer freiheitlichen Gesellschaft kommen dem Staat nur begrenzte Zuständigkeiten zu. Er hat kein allgemeines politisches Mandat und seine Kompetenzkompetenz ist durch die Verfassung wirksam begrenzt. Liberale akzeptieren die Verantwortung des Staates für eine leistungsfähige Infrastruktur, seine Befugnis, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, und seinen Auftrag, jedem Bürger ein ausreichendes Existenzminimum zu sichern. Der Staat ist Träger der Rechtsprechung und übt das Gewaltmonopol aus. Nur für die genannten Aufgaben kann der Staat Steuern und Abgaben erheben. Einallgemeines Mandat zur Umverteilung von Gütern ist dem Staat nicht erteilt. In einerfreiheitlichen Gesellschaft gibt es wegen der begrenzten Aufgaben des Staates auch eine Grenze für die Belastung der Menschen mit Steuern und Abgaben. Sie zu erkennen und im politischen Prozess wirksam werden zu lassen, ist eine wichtige Funktion liberaler Politik.

 

 

(71)                Der freiheitliche Staat ist dezentral organisiert: Starke Gemeinden und ein lebendiger Wettbewerbsföderalismus sorgen für politische Entscheidungen, die auf lokale und regionale Besonderheiten zugeschnitten sind und dennoch das Ganze im Auge haben. Der Wettbewerb zwischen den Gemeinden, Landkreisen und Regionen generiert einen Prozess, in dem sich die besten politischen Ideen durchsetzen können, ohne dass dies zentral angeordnet werden muss. Zugleich sorgt diese föderale und kommunale Struktur für eine vertikale Gewaltenteilung, die freiheitsbedrohende Machtkonzentrationen verhindert. Allerdings müssen die einzelnen Ebenen handlungsfähig bleiben, weshalb die politischen Zuständigkeiten klar und eindeutig den einzelnen Ebenen zuzuordnen sind. Dieses Ziel zu verwirklichen, bleibt ein wichtiges Thema der Reformagenda am Beginn des 21. Jahrhunderts.

 

 

(72)                Es ist nicht Aufgabe des Staates, jede gesellschaftliche Konvention oder Moralvorstellung mit den Mitteln der Gesetzgebung oder der Exekutive durchzusetzen. Dafür reicht in der Regel die Kraft des gesellschaftlichen Diskurses aus. Nicht jede Entwicklung, die von der Gesellschaft als wünschenswert erkannt oder bestimmt wird, muss mit staatlichen Mitteln durchgesetzt werden.

 

 

(73)                Von den Organen des Staates erwarten wir neben der Einhaltung von Recht und Gesetz eine wertorientierte Haltung, die die Freiheit des Menschen, die Autonomie der personalen Gemeinschaften und die Gestaltungskraft der freiheitlichen Wirtschaft und Gesellschaft respektiert. Zwischen dem Staat und seinen Bürgern muss ein Klima des Vertrauens herrschen. Staatlichem Kontrollzwang sind durch Verfassung und Gesetz enge Grenzen gezogen.

 

 

(74)                Der europäische Weg vom Staatenbund souveräner Nationalstaaten hin zu einem Bundesstaat ist weit fortgeschritten. Wir erwarten, dass dieser europäische Bundesstaat in gleicher Weise wie der Nationalstaat ein loyaler Diener der Gesellschaft wird und nicht der Versuchung erliegt, die nationalen Gesellschaften mit bürokratischen Instrumenten auf das Prokrustesbett der Gleichmacherei zu zwingen. Deshalb setzen wir auch in Europa auf die Prinzipien der parlamentarischen Demokratie, des freiheitlichen Rechtsstaats und des Wettbewerbsföderalismus. Die Wirklichkeit der Europäischen Union weist hier leider noch gewichtige Defizite auf, die grundlegende Kurskorrekturen unabdingbar machen.

 

 

 

Fundament 1

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Eine freiheitliche Gesellschaft braucht Bildung.

 

 

(75)                Bildung und Erziehung haben die Aufgabe, den Menschen Orientierung und Gewissheit in einer komplexen, sich verändernden Welt zu geben. Wir vertrauen auf das natürliche Bedürfnis jedes Menschen, sich diese Orientierung zu verschaffen. Sie umfasst nicht nur das Vertrautwerden mit den äußeren Gegebenheiten der Umwelt, sondern auch den selbstbewussten Umgang mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Konventionen. Das Ziel von Bildung und Erziehung ist der mündige, selbstbewusste Mensch, der seine Freiheit zu gebrauchen weiß und Verantwortung gegenüber anderen Menschen und der Gesellschaft übernimmt.

 

 

(76)                Für die freiheitliche Gesellschaft sind Bildung und Erziehung ein Schlüsselprozess. Jede pädagogische Arbeit verdient deshalb den Respekt der Gesellschaft und ihre nachhaltige Förderung.

 

 

(77)                Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Bildung muss für jeden Menschen ohne Hindernisse verfügbar sein. Das schließt nicht aus, dass die Gesellschaft im Sinne der Eigenverantwortung den einzelnen Bildungswilligen nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit zu materiellen Beiträgen zur Verbesserung der Qualität und der Strukturen heranzieht.

 

 

(78)                Erster und wichtigster Ort, an dem Bildung und Erziehung stattfinden (müssen), ist die Familie.

 

 

(79)                Bildung und Erziehung sind in einer freiheitlichen Gesellschaft keine genuin staatlichen Aufgaben. Die Organisation des Bildungsprozesses nach den Prinzipien staatlicher Zentralverwaltungswirtschaft hat wesentlich zu den Defiziten beigetragen, die wir am Beginn des 21. Jahrhunderts feststellen. Die staatliche Schule wird ihre monopolartige Stellung in den kommenden Jahrzehnten aufgeben müssen. Bildung und Erziehung der Kinder sind Teil der Verantwortung der ganzen Gesellschaft, vor allem aber ihrer Eltern.

 

 

(80)                Aufgabe des Staates ist es, weitere Orte und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, an denen Bildung möglich wird, und durch eigene Bildungsaktivitäten im Wettbewerb Standards zu schaffen, an denen sich alle Bildungseinrichtungen orientieren können. Außerdem garantiert er jedem jungen Menschen den Zugang zu den für ihn geeigneten Bildungseinrichtungen.

 

 

(81)                Nicht notwendig ist, dass der Staat die Bildungsinhalte vorgibt und einheitlich ausgestaltet. Eine freiheitliche Gesellschaft braucht vielmehr ein pluralistisch organisiertes Bildungswesen, in der verschiedene Anbieter in einen Wettbewerb um die bildungswilligen Menschen treten. Wie in anderen Bereichen gesellschaftlichen Lebens wird auch hier der Wettbewerb für die notwendige Dynamik und die rechtzeitige Anpassung der Bildungsangebote an eine veränderte Welt und neue Rezeptionsgewohnheiten sorgen.

 

 

(82)                In einer täglich komplexeren und veränderten Welt ist Bildung ein Prozess, der nicht mit dem Erreichen des Erwachsenenalters endet. Jeder mündige Bürger hat die Pflicht, sich ein Leben lang zu bilden und weiterzubilden. Diese Angebote für eine lebenslange Bildung kommen aus Wirtschaft und Gesellschaft und allenfalls subsidiär aus staatlichen Einrichtungen.

 

 

(83)                Bildung und Erziehung erschöpfen sich nicht in der intellektuellen Vermittlung von Inhalten, Methoden und Werten. Junge Menschen brauchen Vorbilder, die ihnen Orientierung für die eigene Entwicklung geben. Eine freiheitliche Gesellschaft lässt es deshalb zu, dass Menschen, die sich durch besondere Leistungen auszeichnen, in der Gesellschaft intensiv wahrgenommen werden. Wir fürchten keine Helden, sondern brauchen sie als Menschen, an denen sich andere Menschen orientieren können.

 

 

(84)                Menschen ohne hinreichende Bildung oder ohne Bildungswillen sind eine Herausforderung für jede freiheitliche Gesellschaft. Wir vertrauen darauf, dass ein lebendiger Wettbewerb auch zusätzliche Nachfrage nach Bildung schafft. Darüber hinaus halten wir ökonomische Anreize für Bildungsschwache und Bildungsunwillige für ein geeignetes Mittel, Nachfrage nach Bildung zu stimulieren.

 

 

(85)                Von den Wissenschaften erwarten wir, dass sie den gesellschaftlichen Bildungsprozess nicht nur mit neuen Inhalten, sondern auch mit neuen Methoden stimulieren. Neben der Erarbeitung und Verbreitung von Erkenntnissen haben Wissenschaftler auch eine Vorbildfunktion in der Bildungsgesellschaft.

 

 

 

Fundament 2

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Eine freiheitliche Gesellschaft baut auf die freie Wissenschaft.

 

 

(86)                Unsere Gesellschaft steht am Beginn des 21. Jahrhunderts vor großen, noch ungelösten Herausforderungen. Der Klimawandel wird das Leben der Menschen verändern, die Energieversorgung der Zukunft muss nachhaltig und für alle erschwinglich gesichert werden, der demografische Wandel fordert gesellschaftliche und wirtschaftliche Anpassungen ein.

 

 

(87)                Die freiheitliche Gesellschaft braucht die Wissenschaft, um diese und andere Herausforderungen der Zukunft sowie die wachsende Komplexität von Umwelt und Gesellschaft intellektuell zu bewältigen. Sie ist eine kulturelle Grundbedingung der Zivilisation, sowohl als Kulturleistung als auch als Grundlage gesellschaftlicher Wohlfahrt. Denn mit ihren Erkenntnissen wächst die technische, wirtschaftliche und politische Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Sie ist daher ein unverzichtbares Fundament jeder freiheitlichen Gesellschaft.

 

 

(88)                Wissenschaft braucht Freiheit. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn kann nur gelingen, wenn sie sich in Freiheit und ohne staatliche Bevormundung entfalten kann. Deshalb liegt die Freiheit der Wissenschaft nicht nur im Interesse der handelnden Wissenschaftler, sondern dient der Gesellschaft als ganzer. Liberale schließen jede Art von Erkenntnis verboten oder Kommunikationsverboten hinsichtlich gewonnener Erkenntnisse aus.

 

 

(89)                Wissenschaft ist keine genuin staatliche Aufgabe. Wissenschaftliche Erkenntnis vollzieht sich keineswegs nur in staatlich geschaffenen Strukturen. Vielmehr verdanken wir den Stand der Wissenschaft zu einem bedeutenden Teil privaten Forschungseinrichtungen und den Forschungsabteilungen der Unternehmen. Die Aufgabe des Staates ist es, Orte und Ressourcen für jenen Teil der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, für den keine privaten Ressourcen zur Verfügung stehen.

 

 

(90)                Wissenschaft dient nicht nur dem Gewinnen neuer Erkenntnisse, es geht auch um die Weitergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden von Generation zu Generation. An den Hochschulen sind beide Aufgaben – Erkenntnisgewinn durch Forschung und Weitergabe der Erkenntnisse durch Lehre – in idealtypischer Form vereint. Der deutsche Südwesten zeichnet sich im nationalen Maßstab durch besonders leistungsfähige Hochschulen aus. Um auch im internationalen Maßstab als Wissenschaftsstandortbestehen zu können, bedarf es allerdings eines nachhaltigen Strukturwandels.

 

 

(91)                Neben den Hochschulen kommt den außeruniversitären Forschungseinrichtungen(z.B. Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft) für den wissenschaftlichen Fortschritt eine besondere Bedeutung zu. Es ist in den letzten fünfzig Jahren gelungen, Baden-Württemberg zu einem attraktiven Standort für diese außeruniversitären Einrichtungen zu entwickeln. Ihre Produktivität und Vielfalt tragen zur Attraktivität unseres Standortes bei und befruchten Wirtschaft und Gesellschaft mit vielfältigen Erkenntnissen.

 

 

(92)                Auch im Bereich der Wissenschaft ist der Wettbewerb zwischen den Einrichtungen für die Sicherung der Qualität und die nachhaltige Entwicklung unverzichtbar. Wir wollen deshalb auch im Bereich der Wissenschaft pluralistische Strukturen. Dieser Wettbewerb kann auch dazu führen, dass einzelne Einrichtungen, deren Angebote an der gesellschaftlichen Nachfrage vorbeigehen oder die den Qualitätswettbewerb nicht (mehr) bestehen, aus der Wissenschaftslandschaft ausscheiden müssen. Eine besondere Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte liegt darin, den Wettbewerb zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen so zu organisieren, dass die dort vorgehaltenen Ressourcen nicht durch falsche Anreize und einen unnötig hohen Transferaufwand übermäßig in Anspruch genommen werden. Wissenschaftlicher und technischer Fortschritt vollzieht sich durch Forschung und Entwicklung und nicht durch das bürokratisch korrekte Verfassen von mehr oder weniger erfolgreichen Förderanträgen und deren kollegiale Begutachtung.

 

 

(93)                Für alle Wissenschaftszweige gilt, dass klare Positionen und ein öffentlicher Wettstreit der Ideen zu hoher Produktivität führen. Die Gesellschaft muss deshalb gewährleisten, dass die Kommunikation innerhalb der Wissenschaft und zwischen Wissenschaft und Gesellschaft lebendig bleibt und nicht aus materiellen oder rechtlichen Gründen zu einem Privileg weniger Insider verkommt.

 

 

(94)                Um qualifizierte Wissenschaftler gewinnen zu können, braucht es neben angemessenenmateriellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Vorbilder. Die Gesellschaft muss es zulassen und fördern, dass herausragende Wissenschaftler mit ihren Leistungen öffentlich glänzen können und ihre Leistungen öffentlich sichtbar und gewürdigt werden.

 

 

 

Fundament 3

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Eine lebendige und vielfältige Kultur ist ein unverzichtbares Fundament der freiheitlichen Gesellschaft. Sie gibt Orientierung, bringt Menschen zusammen und erzeugt den notwendigen Rahmen für den gesellschaftlichen Diskurs.

 

 

(95)                Unsere Kultur ist das Ergebnis eines jahrhundertelangen gesellschaftlichen Prozesses und der Kreativität vieler Generationen. Sie gibt unserer Gesellschaft ihre Identität und vielen gesellschaftlichen Aktivitäten ihren Sinn. Der Respekt vor den kulturellen Leistungen unserer Vorfahren verpflichtet uns zum sorgsamen Umgang mit den kulturellen Traditionen.

 

 

(96)                Kultur schafft jenen Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit, der die Welt in einen Sinnzusammenhang stellt, und einen Rahmen, ohne den wir nicht gemeinsam kommunizieren und leben können. Sie ist keine Luxusveranstaltung für wenige Interessierte, sondern notwendige Grundlage allen gesellschaftlichen Lebens.

 

 

(97)                Das wichtigste kulturelle Element einer Gesellschaft ist ihre gemeinsame Sprache. Sie zu pflegen und zu erhalten, ist unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe. Die Anforderungen einer modernen Gesellschaft sind nur zu bewältigen, wenn die Menschen auch komplexe Inhalte sprachlich fassen und vermitteln können. Allen kulturellen Institutionen tragen eine besondere Verantwortung für die Sprachpflege.

 

 

(98)                In einer freiheitlichen Gesellschaft ist Kultur immer ein pluralistischer Prozess. Ihr Wert steigt mit der Vielfalt der Beiträge und der Zahl und der Leistungsfähigkeit der kulturschaffenden Menschen. Auf kontroverse Beiträge reagiert Kultur nicht mit Zurückweisung, sondern sie antwortet und integriert. Provokationen und Experimente sind keine Bedrohungen des kulturellen Prozesses, sondern notwendige Beiträge zur Weiterentwicklung einer lebendigen Kultur.

 

 

(99)                In einer freiheitlichen Gesellschaft ist Kultur keine staatliche, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe. Der Staat hat in diesem Bereich eine unterstützende Funktion: Er stellt(allerdings nicht exklusiv) Orte und Ressourcen für kulturelle Aktivitäten bereit und fördert, soweit erforderlich, die Hochkultur. Er ist nicht Gestalter, sondern Diener kultureller Aktivitäten. Die anmaßende Idee einer staatlich verordneten oder gestalteten„Leitkultur“ hat in einer freiheitlichen Gesellschaft keinen Platz.

 

 

(100)            Aufgabe der Hochkultur ist es, durch ihr besonderes Niveau Standards zu schaffen, an denen sich alle Kulturschaffenden in der Gesellschaft orientieren können, aber nicht müssen. Sie ist keine in sich abgeschlossene Welt, sondern steht in der Verantwortung gegenüber der gesamten Gesellschaft, deren Kritik sie sich zu stellen hat.

 

 

(101)            In einer freiheitlichen Gesellschaft bringt Kultur Menschen zusammen, indem sie gemeinsames Verständnis, gemeinsame Erlebnisse und gemeinsame Bezüge schafft. Sie darf niemals Mittel zur Ausgrenzung von Menschen sein. Unsere mitteleuropäische Kultur versteht es seit vielen Jahrhunderten, Beiträge aus anderen Kulturkreisen zu integrieren und damit zu einer weltweiten Verständigung beizutragen.

 

 

(102)            Kultur braucht neben der Kreativität der Kulturschaffenden auch die Erkenntnisse der Geisteswissenschaften. Sie haben die Aufgabe, die kulturelle Wirklichkeit verständlich zu machen und durch neue Modelle und Ideen Räume für die Weiterentwicklung der Kultur und der Gesellschaft zu öffnen. Die Gesellschaft darf von ihren Geisteswissenschaftlern erwarten, dass sie nicht nur kritisch und zutreffend analysieren, sondern auch mutig neue Wege aufzeigen und klare Positionen im gesellschaftlichen Diskurs beziehen.

 

 

 

Epilog

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Liberale vertrauen in die Zukunft, denn sie vertrauen dem menschlichen Schöpfergeist, seiner aufgeklärten Fähigkeit zur Lösung von Problemen und seiner Begabung, aus seiner naturgegebenen Freiheit etwas zu machen.

 

Liberale wissen aus diesem Grund um die Wichtigkeit des beständigen Kampfes um den Erhalt dieser Freiheit. Der Südwest-Liberalismus blickt auf eine annähernd 200jährige Geschichte des Freiheitskampfes für die bürgerliche Gesellschaft, gegen Obrigkeit, gegengleichmacherische Autoritäten, gegen populistische Nivellierung von Menschen und Gruppen.

 

Liberale begreifen Freiheit nicht nur als Menschenrecht, sondern auch als Verpflichtung, von ihr verantwortlichen Gebrauch zu machen. Das schulden wir uns selbst, denn selbst gewählte Unfreiheit können wir nicht akzeptieren. Und das schulden wir der Gesellschaft. Es ist eine moralische Pflicht des Menschen als Wesen mit transzendentaler Würde, seine Freiheit konstruktiv zunächst für sich selbst, für die möglichst optimale Selbstentfaltung als vernunftbegabter Mensch, hernach aber auch zur Sicherung der Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten der anderen zu nutzen. Bildung ist deshalb sowohl Menschenrecht für alle als auch Selbstverpflichtung für jede Einzelne.

 

Die Sicherung wirtschaftlicher Freiheit ist des Menschen Natur gemäß. Armut zu bekämpfen ist kein Akt der sozialen Gerechtigkeit, sondern zwangsläufige Konsequenz der liberalen Sicht, dass Armut die Freiheit des von ihr Betroffenen unmöglich macht. Aus der Verpflichtung zur eigenen individuellen Freiheit und zur gesellschaftlichen Freiheit aller folgen unsere Leitprinzipien für konkrete Politik. Wir wissen, dass hoher Bildungsstand, wirtschaftliche Freiheit und eine solidarische Absicherung der Gesellschaftsglieder nachhaltige Erfolgsfaktoren für Wohlstand und Wohlfahrt sind.

 

Aber nicht die hohe Effektivität des politischen Liberalismus für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohlstand ist unser erstes Leitmotiv. Wir erachten die Freiheit des Menschen als seinen wichtigsten Wesenszug.

 

Alle anderen Werte und Ziele müssen der menschlichen Freiheit dienen, dürfen sie im Kern nie verletzen. Deswegen verteidigen wir die offene Gesellschaft. Deswegen trauen wir nur ihr die menschenwürdige Bewältigung aller Herausforderungen zu. Deswegen haben wir Vertrauen in die Zukunft.