D a s   L i b e r a l e   T a g e b u c h

Sammlung Originaldokumente aus „Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de

 

 

 

Web-Site der Bundesregierung (Stand: 7. April 2008)

Ferner folgende Internet-Dokumente der Bundesregierung:

 

(1) PK Merkel / Steinmeier, 4. April 2008

(2) Zwei neue Mitglieder – und die Tür bleibt offen, 3. April 2008

(3) Afghanistan in eine sichere Zukunft führen, 3. April 2008

 

 

 

Merkel: "Es war ein sehr politischer Gipfel"

 

Fr, 04.04.2008

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mit den Ergebnisses des dreitägigen Nato-Gipfels sehr zufrieden. Die neue Afghanistan-Strategie zeige, dass militärischer und politischer Erfolg eng zusammenhingen. Und die Kanzlerin versicherte: "Die Nato ist gegen niemanden gerichtet."

 

"Russland ist ein Partner", sagte die Kanzlerin. Dies werde bei den Gemeinsamkeiten im Kampf gegen den Terrorismus und die positive Kooperation im Afghanistan-Einsatz deutlich.

 

Merkel plädierte dafür, den "Geist von Bukarest" für die Zukunft zu erhalten, um nicht übereinander, sondern miteinander zu sprechen. Häufigere Treffen auf "Chef-Ebene" sollten selbstverständlich werden, auch um Missverständnisse auszuräumen, forderte die Kanzlerin. Mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war es das erste Treffen bei einem Nato-Gipfel seit fast sechs Jahren.

 

Neue Afghanistan-Strategie

 

Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung erinnerte an den Gipfel in Riga vor zwei Jahren. Dort hätten noch militärische Fragen im Vordergrund gestanden. Mittlerweile sei der deutsche Ansatz zur engeren Verzahnung militärischer und politischer Mittel gemeinsame Position aller 26 Nato-Staaten.

 

Dies zeigt sich auch bei der neuen Afghanistan-Strategie. So sei der deutsche Ansatz der vernetzten Sicherheit zur Grundlage des gesamten Afghanistan-Einsatzes geworden, berichtete Jung. Der Ansatz verbindet militärischen Schutz untrennbar mit zivilem Wiederaufbau.

 

Darüber hinaus hat sich das Bündnis erstmals mit der Frage befasst, wie Afghanistan eigenverantwortlich für seine Sicherheit sorgen kann. Dies ist Voraussetzung für einen Abzug der internationalen Isaf-Truppen. Die Strategie sehe dafür den Aufbau einer 80.000 Mann starken afghanischen Armee bis 2010 vor, sagte der Bundesverteidigungsminister. Auch der Polizeiaufbau soll verstärkt werden.

 

Kontrovers diskutieren, partnerschaftlich handeln

 

Russland erklärte sich bereit, die Versorgung der Isaf-Truppen mit nicht-militärischen Gütern über sein Territorium zu erlauben. Der Nato-Russland-Rat befasste sich am letzten Gipfeltag aber auch mit strittigen Fragen. So sei die Lage im Kosovo und das von den USA in Polen und Tschechien geplante Raketenabwehrsystem Thema gewesen, berichtete die Kanzlerin.

 

Das amerikanische Abwehrsystem sei nicht auf Partner wie Russland gerichtet, versicherte Merkel. Die fortlaufenden Gespräche zwischen beiden Ländern könnten hier Fortschritte bringen, hofft sie. Der amerikanische Präsident George W. Bush reist nach dem Nato-Gipfel weiter nach Russland zu einem Treffen mit Putin.

 

Auch der Ausstieg Russlands aus dem Vertrag über konventionelle Abrüstung (KSE) wurde in Bukarest beraten. "Das Problem halte ich bei gutem Willen auf beiden Seiten für lösbar", zeigte sich die Kanzlerin zuversichtlich. Der KSE-Vertrag legt vom Atlantik bis zum Ural Obergrenzen für konventionelle Waffen fest.

 

Nato entscheidet allein über neue Mitglieder

 

Ein Ergebnis des Gipfels ist, die Ukraine und Georgien noch nicht in den besonderen Aktionsplan als Vorstufe zur Mitgliedschaft aufzunehmen. Das Verhältnis zu Russland habe dabei keine Rolle gespielt, unterstrich Merkel. "Das ist eine Entscheidung der Nato mit den Antragstellern. Andere haben dort nicht mitzureden."

 

Zum Abschluss des Gipfels hatten sich die 26 Staats- und Regierungschefs auch mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Viktor Juschtschenko getroffen. Juschtschenko habe Verständnis geäußert und den Entschluss zur langfristigen Integration als "vorwärtsgerichtet eingestuft", so die Kanzlerin.

 

Westlichen Balkan stabilisieren

 

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem "nicht ganz einfachen, aber ausgesprochen erfolgreichen Gipfel". Die Nato wolle weiterhin die Stabilität im Kosovo und auf dem gesamten westlichen Balkan sicherstellen. Dies könne aber nur gelingen, wenn Serbien einbezogen werde.

 

 

Seit Dezember 2001 ist die Nato mit der Internationalen Schutztruppe Isaf (International Security Assisstance Force) in Afghanistan im Einsatz. Aufgabe der Isaf ist die Unterstützung der gewählten Regierung Afghanistans zur Herstellung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfelds. In erster Linie soll so der Wiederaufbau Afghanistans, die Etablierung demokratischer Strukturen und die Durchsetzungsfähigkeit der frei gewählten Zentralregierung vorangetrieben werden. Neben diesen Schlüsselaufgaben unterstützt sie außerdem die Nationalen Afghanischen Sicherheitskräfte. Die Schutztruppe hat derzeit eine Stärke von rund 47.000 Soldaten. Deutschland ist mit knapp 3.500 Soldaten drittgrößter Truppensteller.

 

 

 

 

Mitschrift Pressekonferenz

 

Pressekonferenz der Bundeskanzlerin, des Bundesaußenministers und des Bundesverteidigungsministers in Bukarest

 

Fr, 04.04.2008

 

Thema: NATO-Gipfeltreffen   Sprecher: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung

 

BK'IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, wir sind am Ende eines NATO-Gipfels, den ich als sehr erfolgreich einstufen würde, angelangt. Wir haben eine wunderbare Gastfreundschaft der rumänischen Gastgeber genießen können. Ich glaube, es war ein sehr politischer NATO-Gipfel, der auch in den politischen Fragen sehr erfolgreich war.

 

Wir haben über das, was gestern erreicht wurde, bereits berichtet. Insofern möchte ich mich auf die Fragen konzentrieren, die heute im Mittelpunkt standen. Das waren vor allen Dingen der NATO-Ukraine-Rat und der NATO-Russland-Rat. Mit der Ukraine hatten wir uns gestern schon ausführlich beschäftigt. Das Ergebnis ist seitens des ukrainischen Präsidenten noch einmal begrüßt und als vorwärts gerichtet eingestuft worden. Ich glaube, das war insofern heute eine sehr konstruktive Begegnung mit Präsident Juschtschenko.

 

Wir haben auf der anderen Seite nach sechs Jahren endlich wieder einen NATO-Russland-Rat durchgeführt, der auf Chefebene stattgefunden hat. Ich habe deutlich gemacht, dass ich mir wünsche, dass eine solche Begegnung routinemäßig und öfter stattfindet. Sie muss aus meiner Sicht selbstverständlich werden, um bestimmte Vorbehalte oder Missverständnisse, die es gibt, ausräumen zu können, und zwar auch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs.

 

Das bezieht sich vor allen Dingen auch auf den Charakter der NATO. Die NATO ist ein Zusammenschluss von Staaten, die sich gegenseitig verpflichten   basierend auf gemeinsamen Werten  , ihre Sicherheit zu verteidigen. Die NATO ist gegen niemanden gerichtet, schon gar nicht gegen Russland. Sie ist natürlich gegen die Kräfte gerichtet, die zum Beispiel terroristische Aktivitäten unternehmen und die Sicherheitszone verletzen. Aber Russland ist ein Partner.

 

Wir haben heute im NATO-Russland-Rat natürlich über die kontroversen Themen gesprochen, die Sie auch alle kennen, zum einen die Einschätzung der Lage in und um den Kosovo, zum anderen die Frage des KSE-Vertrags sowie andere Dinge. Aber es gab auch sehr positive Beispiele. Man muss noch einmal daran erinnern, dass mit Russland eine ganze Reihe gemeinsamer Aktivitäten durchgeführt wird, zum Beispiel die Operation "Active Endeavour" im Mittelmeerraum, und dass sich jetzt auch eine sehr gute Kooperation im Hinblick auf Afghanistan entwickelt, sodass ich glaube, dass wir das Konstruktive in den Mittelpunkt stellen und ansonsten das regelmäßige Gespräch suchen sollten, wie das hier bei diesem Gipfel möglich war.

 

Es ist auf diesem Gipfel möglich gewesen   das schätze ich sehr  , politisch zu diskutieren. Ich betone das deshalb sehr, weil das auch damit zu tun hat, dass die Haltung von Frankreich wieder stärker auf die NATO ausgerichtet ist und dadurch gestern zum Beispiel eine sehr substanzielle Afghanistan-Diskussion mit Präsident Karsai und dem UN-Generalsekretär möglich gewesen ist. Das ist natürlich sehr viel besser, weil wir wissen, dass militärische und zivile Anstrengungen eben nicht einfach zu trennen sind und dass der politische Erfolg mit dem militärischen zusammenhängt, aber der militärische Erfolg eben auch mit dem politischen Erfolg.

 

Insofern fahre ich sehr zufrieden nach Hause. Die beiden Kollegen werden jetzt noch Ausführungen zu bestimmten Facetten des Gipfels machen.

 

BM DR. STEINMEIER: Meine Damen und Herren, ich glaube, mit Blick auf den gesamten Gipfel wird man sagen können: Das war ein nicht ganz einfacher Gipfel, aber ein ausgesprochen ertragreicher Gipfel. Das will ich auch bezüglich der beiden Themen bekennen, die ich in meinen Ausführungen herausgreifen will.

 

Beginnen will ich mit dem westlichen Balkan. Wir haben heute sehr nachhaltig bekräftigt, dass wir, die NATO, im Kosovo präsent sein wollen, um, was sich in den letzten Tagen und Wochen als Notwendigkeit gezeigt hat, dort Stabilität zu gewährleisten. Wir dürfen aber   das war vor allen Dingen gestern Inhalt der Diskussionen   unseren Blick auch nicht allein auf den Kosovo richten. Deshalb haben sich die Erweiterungsfragen auch auf andere Länder des westlichen Balkans gerichtet, wie Sie wissen. Gerade unter den schwierigen Umständen, unter denen wir die Stabilität auf dem westlichen Balkan diskutieren, war es, denke ich, richtig, dass wir uns nach Diskussionen im Vorfeld dieses Gipfels dazu entschlossen haben, Serbien die ausgestreckte Hand zu reichen, jedenfalls den intensivierten Dialog anzubieten, um zu signalisieren: Sie sind uns auf dem Weg nicht nur Richtung Europa, sondern auch in Richtung einer Einbindung in die transatlantischen Strukturen willkommen.

 

Sie wissen: Wir haben über die Einladung der NATO zur Mitgliedschaft an Kroatien und Albanien positiv entschieden und entscheiden können. Wir sind bereit gewesen, eine solche Einladung auch an Mazedonien auszusprechen. Sie wissen: Das war wegen des noch nicht erledigten Namensstreits nicht möglich. Worauf es jetzt ankommt, ist, das Momentum der letzten Tage, in denen es auch in dieser Frage bei der Lösung des Namensstreits Bewegung gab, nicht zu verlieren. Deshalb begrüße ich es sehr, dass sofort nach dem gestrigen Tag Kontakte zwischen Griechenland und der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien stattgefunden haben und jetzt hoffentlich die Situation entsteht, dass nicht neuer Streit aufbricht, sondern intensiv im Rahmen der Suche nach geeigneten Lösungen weitergearbeitet wird.

 

Meine Damen und Herren, ein zweiter Bereich, den ich herausgreifen will und der Sie vielleicht etwas überraschen wird, ist das Thema "Abrüstung und Rüstungskontrolle", und zwar deshalb, weil das in den letzten Jahren in den Gipfeldokumenten als Thema nicht mehr vorhanden war. Sie wissen: Wir haben uns seit dem NATO-Außenministertreffen in Oslo intensiv darum bemüht, das wieder zu einem Thema der NATO zu machen, damals durchaus angelehnt an die beginnende Diskussion über "missile defense" vor zwei Jahren. Wir begrüßen, dass es zu den auch von uns erwarteten Gesprächen zwischen Russland und Amerika kommen wird, die, wie ich hoffe, jetzt in Sotschi fortgeführt werden. Aber wir haben darüber hinaus gesagt: Wir können sozusagen bei der Herstellung von Transparenz und der Einforderung von Kooperation nicht stehen bleiben, sondern wir müssen das Thema auch als ein Thema für die NATO insgesamt wiederentdecken.

 

Ich freue mich und bin zufrieden darüber, dass diese Anregung in Oslo aufgegriffen worden und auf diesem NATO-Gipfel fortgeführt worden ist. Sie sehen in dem Abschlussdokument, dass sich die NATO vornimmt, hierbei in den nächsten Jahren gemeinsame Anstrengungen aufzugreifen. Wir als deutsche Regierung werden hinsichtlich dieses Themas weiterhin aktiv bleiben. Das sehen Sie bezüglich unserer Aktivitäten bzw. unseres Engagements zum Verbot von Landminen. Das sehen Sie auch bezüglich unserer Vorschläge zur Einrichtung eines multilateralen Brennstoffkreislaufes und vieler anderer Stichworte, zu denen wir in den letzten Monaten Vorschläge gemacht haben.

 

Ich finde, der Weg, den die NATO hierbei geht, ist ein richtiger Weg. Es gilt, diesen in den nächsten Jahren auszufüllen.

 

BM DR. JUNG: Meine Damen und Herren, ich beurteile diesen Gipfel aus sicherheits- und verteidigungspolitischer Sicht als sehr erfolgreich. Es ist das erste Mal gelungen, eine Erfolgsstrategie, eine gemeinsame Strategie für Afghanistan zu vereinbaren, und zwar auf der Basis unserer Konzeption eines gesamten Ansatzes oder, wie wir es nennen, der vernetzten Sicherheit bzw., in der NATO-Sprache, der "comprehensive approach". Wir haben auf dem letzten Gipfel in Riga erste Akzente in diese Richtung beschlossen. Aber wir haben hier konkretisiert, dass wir letztlich nur erfolgreich sein werden, wenn wir Sicherheit, aber auch Wiederaufbau und Entwicklung vorantreiben, (wenn wir bekräftigen), dass diese Elemente insgesamt zusammengehören und dass dies eine Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung der Mission in Afghanistan ist.

 

Den zweiten Punkt, den ich unter diesem Aspekt für sehr wichtig erachte, ist, dass wir das erste Mal sehr konkret vereinbart haben, was die Voraussetzungen sind, um Afghanistan in die Lage zu versetzen, selbst für seine Sicherheit und für das zu sorgen, was wir "selbsttragende Sicherheit" nennen. Das heißt im Klartext: Wir sind der Auffassung, dass es 80.000 ausgebildete afghanische Streitkräfte geben muss. Deshalb werden wir hierbei unsere Anstrengungen auch noch einmal verstärken. Wir wollen die Ausbildung verdreifachen. Aber auch andere Nationen haben dies angekündigt. Es bedarf dann selbstverständlich auch noch der Ausbildung der Polizei, was ebenfalls in diesem Strategiepapier niedergelegt ist.

 

Ich finde, dass wir unter diesem Aspekt eine wichtige gemeinsame Positionierung im Hinblick auf eine erfolgreiche Operation und Umsetzung einer friedlichen, stabilen Entwicklung in Afghanistan und damit auch für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beschließen konnten. Dies ist ein ganz wichtiges Zeichen für das gemeinsame Operieren der NATO und für die Handlungsfähigkeit der NATO in diesem Einsatz für den Frieden in Afghanistan.

 

FRAGE: Herr Steinmeier, ich möchte zum Thema "Ukraine und Georgien" fragen, ob Sie im Dezember bei dem Außenministertreffen vielleicht Georgien und die Ukraine akzeptieren werden.

 

BM DR. STEINMEIER: Sie finden in dem Gipfeldokument das gestern vereinbarte Verfahren wieder. Lassen Sie mich vorab werten: Das, was wir vereinbart haben, ist mehr als ein Kompromiss. Ich glaube, es ist das Signal, dass sowohl in der Ukraine als auch in Georgien verstanden worden ist, dass sie auf dem Weg in Richtung NATO sind und dass wir uns das wünschen.

 

Was das weitere Verfahren angeht, so ist festgehalten worden   und daran werden wir uns halten  , dass die Außenminister der NATO im Dezember eine erste Überprüfung dessen, wie weit beide Staaten auf ihrem Weg gekommen sind, vornehmen werden. Dann werden wir miteinander diskutieren müssen, was das für den Zeitplan und zum Beispiel auch für den "Membership Action Plan" bedeutet.

 

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Herr Steinmeier, Sie hatten anfangs eine sehr zurückhaltende Meinung zum Thema "missile defense". Gestern gab es das offizielle Ja des NATO-Gipfels zu diesem Projekt. Wie haben Sie diesen Prozess Herrn Putin erklärt? Wie hat er auf diesen Prozess und Ihre Haltung reagiert?

 

Herr Jung, ich habe eine Frage an Sie, weil es die Heimatredaktion interessiert. Deutsche Sicherheitskräfte haben offenbar in Libyen Sicherheitskräfte ausgebildet. Wie ist Ihr Stand dazu?

 

BK'IN DR. MERKEL: Was "missile defense" anbelangt, ist hier durch viele Gespräche   im Übrigen auch mit Russland   eine Weiterentwicklung erreicht worden. Ich erinnere mich an den G8-Gipfel in Heiligendamm, wo der russische Präsident bestimmte Vorschläge gemacht hat, die, so denke ich, jetzt auch bei dem Treffen in Sotschi zwischen dem russischen Präsidenten und dem amerikanischen Präsidenten eine Rolle spielen werden.

 

Es gibt ein klares Bekenntnis dazu, dass ein solcher Schirm durchaus Bedrohungen entgegenwirken kann. Es ist aber in den vergangenen Monaten deutlicher gemacht worden, dass er niemandem entgegengesetzt ist, auch nicht auf Partner wie zum Beispiel Russland gerichtet ist. Ich glaube, dieses Verständnis hat es auch ermöglicht, eine sehr gute Einigung auf diesem Gipfel zu erreichen.

 

Es sind Fragen wie die zu erledigen, wie sich die einzelnen Systeme verhalten, wie sich das NATO-System zu dem amerikanischen System verhält und wie man sicherstellen kann, dass der gesamte Bündnisbereich sicherheitsmäßig auch wirklich erfasst wird. Aber die grundsätzlichen politischen Aussagen   erstens, dass so etwas gegen neuartige Bedrohungen durchaus ein Schutz sein kann, und zweitens, dass viel mit Russland gesprochen worden ist und weiterhin gesprochen werden wird   sind, glaube ich, die Voraussetzungen dafür gewesen, dass das heute so im Gipfeldokument steht, wie es dort steht.

 

BM DR. STEINMEIER: Ich glaube auch, Frau Bundeskanzlerin, dass wir den deutschen Beitrag daran, dass wir in dieser Diskussion so weit gekommen sind, wie sich das jetzt im Gipfeldokument wiederfindet, gar nicht kleinreden müssen.

 

Ich darf daran erinnern: Ich erinnere mich an Pressekonferenzen vor Heiligendamm, in denen das Thema sozusagen als öffentliches Thema hochkam und bei denen ich von vornherein   dazu hat sich meine Haltung auch nicht verändert   zwei Dinge gesagt habe, nämlich erstens, dass wir neue Bedrohungen ernst nehmen und analysieren müssen, wen sie treffen können. Wenn sie nicht nur die Amerikaner, gegebenenfalls nicht nur die Europäer, sondern auch Russland betreffen, dann spricht nichts dagegen, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Ich glaube, durch die Kommentierungen, die wir auch von deutscher Seite dazu geleistet haben, haben wir einen Gesprächsprozess in Gang gebracht, der hoffentlich auch seinen Niederschlag in den morgigen Gesprächen in Sotschi finden wird. Insofern bin ich mit dem Verlauf der Diskussion in der Tat sehr zufrieden.

 

BM DR. JUNG: Zu diesem Thema (Ausbildung von Sicherheitskräften in Libyen) ist mein derzeitiger Informationsstand, dass ein aktiver Soldat während seines Urlaubs an einer derartigen Maßnahme teilgenommen hat. Dies ist unter keinen Umständen zu akzeptieren. Wir haben deshalb auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet und diesen Soldaten vom Dienst suspendiert.

 

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich habe eine Frage, die ein bisschen in den Bereich der politischen Psychologie geht. In den etwas aufregenden Stunden vor der Ukraine-Entscheidung   beim Abendessen, am Tag davor und auch an jenem Morgen noch   hatte man vor allem aus osteuropäischen Ländern Töne gehört, die etwas ungewöhnlich sind. Es war die Rede von Appeacement-Politik und Erinnerungen an 1936 sowie davon "Die Deutschen machen gemeinsame Sache mit den Russen gegen uns". Das hörte man nicht nur von irgendwelchen Kommentatoren, sondern auch von Politikern oder hier auf dieser Bukarest-Konferenz vom German Marshall Fund.

 

Die erste Frage lautet: Ist das etwas, das Ihnen auch in Ihren Gesprächen begegnet ist? Sind Sie sich dessen bewusst? Die zweite Frage: Wie geht man eigentlich als deutsche Regierung mit so etwas um?

 

BK'IN DR. MERKEL: Mir ist das in meinen Gesprächen nicht begegnet, aber ich habe auch zwei Ohren, um zu hören. Ich gehe damit so um, dass ich einfach auf die jeweiligen Partner zugehe und noch einmal unsere Beweggründe darstelle. Ich glaube, das Dokument, das wir gestern verabschiedet haben, zeigt genau, wie es zu verstehen ist. Wir haben jetzt oft gesagt, dass die Entscheidung, wer Mitglied der NATO wird, eine Entscheidung der NATO gemeinsam mit den jeweiligen Antragstellern ist, dass andere dabei nicht mitzureden haben, dass wir uns die Prozesse aber genau anschauen. Ich habe den Eindruck, dass die gestrige Diskussion sehr hilfreich dafür war, dass aus der Aufregung eine Lösung entstanden ist und dass die Betroffenen, die bei der Diskussion nicht direkt dabei waren, also der georgische und der ukrainische Präsident, diese Dinge durchaus gewürdigt haben. Das ist doch gerade auch das Spannende. Wir brauchen ja keine Gipfel, wenn nicht auch durch Gespräche und Diskussionen auf solchen Gipfeln Fortschritte erzielt werden. Die psychologische Antwort heißt also: Nicht übereinander reden, sondern miteinander reden!

 

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, wie hat denn der russische Präsident auf die Ukraine-Entscheidung bei dem Treffen reagiert, und was bedeutet diese Entscheidung jetzt für das deutsch-russische Verhältnis?

 

BK'IN DR. MERKEL: Für das deutsch-russische Verhältnis bedeutet das, dass es so gut ist, wie es vor dem Gipfel war und nach dem Gipfel ist. Zweitens hat der russische Präsident generell zu der Erweiterung Stellung genommen. Er hat natürlich noch einmal auf die historischen Bezüge hingewiesen, aber durchaus auch unsere Diskussion gewürdigt. Es gab heute an dieser Stelle keine sichtbare, irgendwie geartete Aggressivität in der Debatte.

 

FRAGE: Frau Merkel, ich habe eine kurze Frage zu Afghanistan. Im Vorfeld war immer die Rede davon, es werde ein neuer Druck auf Deutschland ausgeübt, mehr Truppen zu entsenden. Während des Gipfels war alles ganz ruhig gewesen. Selbst der Generalsekretär der NATO hat Sie ein bisschen in Schutz genommen und vor unfairen Dingen gewarnt. Was hat es eigentlich für eine Bewandtnis damit gehabt, dass das ein sehr ruhiger Gipfel geworden ist? Wie steht die deutsche Seite zu weiteren Truppenstellungen, eventuell auch nach der Juni-Konferenz in Paris?

 

Sie hatten KSE angesprochen. Die zweite Frage: Welche Hoffnung haben Sie, dass diesbezüglich in Sotschi der Durchbruch gelingen wird?

 

BK'IN DR. MERKEL: Dazu, was diesbezüglich in Sotschi gemacht werden wird, kann ich nichts sagen. Ich glaube, wir müssen bezüglich KSE aber weiter arbeiten. Das Problem halte ich bei gutem Willen auf beiden Seiten auch für lösbar.

 

Was Afghanistan anbelangt: Sie wissen, wann unsere Diskussionen über neue Mandate stattfinden. Sie kennen unsere jetzigen Mandate. Die Mandate werden so ausgeführt, wie sie sind. Das wird hier in hohem Maße anerkannt. Ich glaube, dass wir dadurch, dass wir auch immer wieder unsere Philosophie erklärt haben, wirklich sehr erfolgreich waren, wenn ich an (den Gipfel) im letzten Jahr in Riga denke. Dort haben wir zum ersten Mal über diesen heute "comprehensive approach" genannten Ansatz, also diesen vernetzten Ansatz, gesprochen. Jetzt ist er ganz selbstverständlich zur NATO-Strategie geworden. Das werden wir weiterhin fortsetzen, und dann wird der deutsche Beitrag auch weiterhin gewürdigt werden.

 

 

 

 

Zwei neue Mitglieder – und die Tür bleibt offen

 

Do, 03.04.2008

 

Die 26 Staats- und Regierungschefs der Nato haben in der rumänischen Hauptstadt Bukarest Entscheidungen zur Erweiterung der Allianz getroffen. Kroatien und Albanien sind zu konkreten Beitrittsgesprächen eingeladen. Vertagt wurde aber die Aufnahme der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien.

 

Griechenland willigte nicht ein, weil die Namensfrage dieser Republik bislang nicht gelöst werden konnte. Sobald dieser Aspekt geklärt ist, kann auch Mazedonien in das Bündnis aufgenommen werden. Und dies, ohne dass ein weiterer Nato-Gipfel erforderlich ist.

 

Ukraine und Georgien müssen noch warten

 

Die Ukraine und Georgien können ebenfalls auf weitere Sicht Mitglieder der Allianz werden. Zum jetzigen Zeitpunkt sind sie aber noch nicht in den besonderen Aktionsplan als Vorstufe zur Mitgliedschaft aufgenommen. Im Dezember 2008 bewerten die Außenminister erneut die Entwicklung beider Länder.

 

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich gegen den raschen Beitritt von Georgien und der Ukraine ausgesprochen: Der Zeitpunkt sei noch nicht erreicht. Es bedürfe eines abgewogenen Prozesses, bis die Kriterien erfüllt seien. In diesem Zusammenhang unterstrich Merkel, dass kein anderes Land das Recht habe mitzubestimmen, wer Mitglied der Nato werde.

 

Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer betonte, die Tür zum Bündnis stehe Demokratien immer offen. "Das hat sich nicht verändert", sagte er. Die Nato werde unverändert auf Erweiterung setzen. Diesem Ziel diene auch der intensivierte Dialog mit Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro zur Vertiefung der Kooperation.

 

Deutschland und Frankreich veranstalten Nato-Jubiläumsgipfel

 

Gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy kündigte Merkel noch ein besonderes Ereignis mit einem "sehr hohen symbolischen Charakter" an: Der Gipfel zum 60-jährigen Jubiläum der Allianz findet im Frühjahr 2009 in Straßburg und Kehl statt.

 

Erstmals in der Geschichte der Allianz richten zwei Mitgliedsstaaten gemeinsam ein Gipfeltreffen aus. 60 Jahre nach Unterzeichnung des Washingtoner Vertrags am 4. April 1949 unterstreichen Sarkozy und Merkel damit die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft, der europäischen Versöhnung und der Nordatlantischen Allianz für den Frieden in Europa.

 

Frankreich wolle in die Mitte der Allianz zurückkehren, betonte Sarkozy. Der zusammen mit Deutschland geplante Gipfel 2009 sei ein Zeichen des gemeinsamen Engagements beider Länder. Man spreche "mit gleicher Stimme". Für den Gipfel 2009 stehen zwei Themen jetzt schon fest. Die Allianz will über ein neues strategisches Konzept und Optionen für die Abwehr von Raketen beraten.

 

Frankreich verstärkt Engagement in Afghanistan

 

Frankreich bietet der Nato an, rund 700 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Sarkozy erklärte die Bereitschaft, ein Bataillon in den Osten Afghanistans zu entsenden. Dies werde es ermöglichen, bisher dort stationierte amerikanische Truppen in den Süden zu verlegen.

 

Kanada hatte den Abzug seiner Verbände aus dieser Region angekündigt, falls nicht andere Bündnispartner dort ihren Einsatz verstärken. Frankreich stellt derzeit rund 1.400 Mann der rund 47.000 starken ISAF-Truppe.

 

Am Rande der Konferenz gaben de Hoop Scheffer und der dänische Premierminister Anders Rasmussen das Startsignal für einen neuen Fernsehkanal. Der Auftritt im Internet soll das Verständnis für die Aufgaben und die Missionen des Bündnisses verbessern. Mehr dazu unter www.natochannel.tv

 

 

 

 

Afghanistan in eine sichere Zukunft führen

 

Do, 03.04.2008

 

Am Nachmittag hat sich die Nato eingehend mit dem Einsatz in Afghanistan befasst. Nicht nur das militärische Engagement, sondern die ganze Entwicklung des Landes wurde diskutiert. "Das ist für mich der eigentliche Fortschritt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf dem letzten Nato-Gipfel in Riga 2006 habe man noch darüber als Forderung gesprochen.

"Heute sind wir so weit, dass wir das haben und dass wir die Diskussion führen", betonte die Kanzlerin.

 

Neben den 26 Bündnispartnern nahmen auch die 14 Nationen teil, die Truppen stellen, aber nicht Mitglieder der Nato sind. An der Spitze der Gäste standen der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, und der afghanische Präsident Hamid Karzai.

 

Afghanistan langfristig unterstützen

 

De Hoop Scheffer wertete deren Teilnahme als klares Signal dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft eng zusammen arbeite. Die Nato habe eine "Strategische Vision" für Isaf sowie ein internes militärpolitisches Dokument verabschiedet.

 

Der Einsatz sei langfristig angelegt und bedürfe der engen Abstimmung zwischen zivilen und militärischen Anstrengungen. Er sei auch nur unter Einbeziehung der Nachbarn Afghanistans, insbesondere von Pakistan, zu bewältigen. Er dankte für die Zusagen weiterer Truppen für Isaf. Letzlich aber müssten die Afghanen selbst die Sicherheit im Land gewährleisten können.

 

Immer mehr Eigenverantwortung

 

Karzai dankte für die Hilfe im Kampf gegen den Terror und die Unterstützungen beim Wiederaufbau. Der Aufbau der eigenen Sicherheitskräfte schreite voran. Als erste Region wolle man in Kabul die Verantwortung von Isaf übernehmen.

 

Ban Ki-Moon unterstrich die Entschlossenheit der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Unterstützung des Landes. Er verwies auf die für Juni geplante Konferenz in Paris, in der über den weiteren Wiederaufbau beraten werden soll.

 

Seit Dezember 2001 ist die Nato mit der Internationalen Schutztruppe Isaf (International Security Assisstance Force) in Afghanistan im Einsatz. Aufgabe der Isaf ist die Unterstützung der gewählten Regierung Afghanistans zur Herstellung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfelds. In erster Linie soll so der Wiederaufbau Afghanistans, die Etablierung demokratischer Strukturen und die Durchsetzungsfähigkeit der frei gewählten Zentralregierung vorangetrieben werden. Neben diesen Schlüsselaufgaben unterstützt sie außerdem die Nationalen Afghanischen Sicherheitskräfte. Die Schutztruppe hat derzeit eine Stärke von rund 47.000 Soldaten. Deutschland ist mit knapp 3.500 Soldaten drittgrößter