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s L i b e r a l e T a g e b u c h
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Sammlung Originaldokumente aus „Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
Marco Buschmann im Bundestag
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Eine Bemerkung vorweg: Herr Kollege Miersch, Vernunft misst sich nicht in
Dezibel. Jetzt zur Sache. Selbstverständlich hat jeder das Recht,
zu demonstrieren und auf die Straße zu gehen. Die Versammlungsfreiheit ist
unverzichtbar für die liberale Demokratie. Deshalb rufe ich jedem friedlichen
Demonstranten im Wendland zu: Ich bin zwar nicht eurer Meinung, aber
selbstverständlich würde ich alles dafür tun, dass ihr eure Meinung stets
sagen dürft. Das ist doch gar keine Frage. Das sage ich aber natürlich nur
den friedlichen Demonstranten. Das gebietet der Vorbehalt, unter dem die
Versammlungsfreiheit nach unserer Verfassung steht. Art. 8 Grundgesetz
spricht eine deutliche Sprache: Demonstrieren darf man nur friedlich und ohne
Waffen. Wer sich die Bilanz dieses Wochenendes anschaut, sieht,
dass nicht nur friedlich und ohne Waffen demonstriert wurde. Es ist nicht
friedlich, wenn ein Polizeifahrzeug in Brand gesteckt wird, und es ist auch
nicht friedlich, wenn über 130 Polizistinnen und Polizisten verletzt werden.
Das kann man nicht ernsthaft sagen. An dieser Stelle möchte ich mich bei
allen Einsatzkräften bedanken und vor allen Dingen den Verletzten schnelle
und vollständige Genesung wünschen. Ich hoffe, ich kann das im Namen des
gesamten Hauses tun. Denen, die für diese Verletzungen verantwortlich sind,
möchte ich eines sagen: Nichts zieht Ihr politisches Anliegen so sehr in den
Schmutz wie das Verletzen von Menschen, die ihren Job machen, indem sie Recht
und Gesetz verteidigen. Ich wiederhole: Nichts zieht Ihr Anliegen mehr in den
Schmutz. An dieser Stelle muss gesagt werden: Natürlich waren Recht
und Gesetz in Gefahr. Ich nenne nur das Stichwort „Schottern“. Schottern ist
kein Volkssport, sondern eine strafbare Handlung. Das ist ein gefährlicher
Eingriff in den Schienenverkehr. Das, was ein bisschen technisch und leblos
klingen mag – ich höre schon, wie gesagt wird, das sei doch nichts –, ist ein
Straftatbestand. Angeblich gehe es letzten Endes darum, Menschenleben zu schützen. Ich möchte Ihnen einmal kurz erläutern, warum ein Straftatbestand
vorliegt; schließlich wird immer wieder gesagt, dabei könne nichts passieren,
weil die Lokführer vorgewarnt seien und sie nur ganz langsam führen. Am 7.
Juni dieses Jahres ist ein Zug mit 11 Stundenkilometern – das ist quasi
Schrittgeschwindigkeit – über ein Gleisbett gefahren, bei dem der Schotter
entfernt war. Dieser Zug ist entgleist, weil sich die Schienen sofort verformt
haben. Züge, die entgleisen, gefährden Menschenleben. Wer etwas tut, was dazu
führt, dass Züge entgleisen, der gefährdet Menschenleben. Schottern ist kein
Kavaliersdelikt. Schottern ist lebensgefährlich. Jetzt kann man natürlich die Frage stellen: Welchen Vorwurf
kann man den Schotterern machen, wenn sogar Mitglieder gesetzgebender Organe
zum Schottern aufrufen? Ich gebe zur Kenntnis: Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft
Lüneburg in mehr als 20 Fällen gegen Mitglieder dieses Hauses und gegen
Mitglieder von Landesparlamenten. Es wurde sogar in Räumen des Deutschen
Bundestages zu strafbaren Handlungen aufgerufen. Das gebe ich dem Präsidium
zur Kenntnis, und ich hoffe, dass die Hauspolizei in solchen Fällen
einschreitet. So etwas ist völlig inakzeptabel. Mitglieder gesetzgebender Organe setzen Recht, sie brechen
es nicht, und sie rufen auch nicht zum Rechtsbruch auf. Was ist das für eine
Gesinnung? Wissen diese Leute denn nicht, welche Gewalt sie dem Rechtsstaat
antun, wenn sie Rechtsnormen unter den Vorbehalt ihrer persönlichen Gesinnung
stellen? Das hat nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. All die vorgeschobenen Argumente stimmen nicht. Jeder
weiß, dass jeder Castortransport, der heute und in den nächsten zehn Jahren
rollt, von jeder Bundesregierung genehmigt würde. Auch ohne eine
Reststrommengenausweitung wären die Castortransporte erforderlich oder, wie
der abgewählte Bundesumweltminister Trittin gesagt hat, unabweisbar und
notwendig. Zum Schluss nenne ich noch ein Stichwort – ich bitte Sie
wirklich, in sich zu gehen –: Widerstandsrecht. Das in unserem Grundgesetz
verankerte Widerstandsrecht – Art. 20 Abs. 4 – wurde geboren aus der
historischen Erfahrung, dass die Nationalsozialisten die Demokratie
abgeschafft haben. Wer ernsthaft behauptet, dass ein Energiekonzept, das von
einer demokratisch legitimierten Mehrheit dieses Hauses beschlossen worden
ist, mit der Abschaffung der Demokratie durch die Nationalsozialisten
verglichen werden kann, der hat jeden Bezug zur Realität, zur
Verhältnismäßigkeit und zum politischen Anstand verloren. Es bleibt dabei: Friedlich und ohne Waffen ist zu
demonstrieren. Wer das nicht tut, ist kein Held. Er ist nicht mutig und auch
nicht Avantgarde. Er ist schlichtweg ein Krimineller. |