D a s
L i b e r a l e T a g e b u c h
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Sammlung Originaldokumente aus
„Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
Deutschland braucht eine neue Gründerkultur Beschluss des Bundesvorstandes der FDP, 16.02.2015 Gründer schaffen Zukunft. Neue Unternehmen mit neuen Ideen entwickeln
und stärken den Wettbewerb um die besten Geschäftsmodelle, die besten
Produkte und die besten Dienstleistungen. Gründer stärken so auch die
Innovationskraft etablierter Unternehmen, denn die Bedeutung und
Nachhaltigkeit früherer Erfolge zählen immer weniger. Innovation sorgt für
Dynamik in der gesamten Wirtschaft – von der Produktion bis zu
Dienstleistungen. Das eröffnet Chancen für die Menschen – von der
Verwirklichung der eigenen Ziele bis hin zu zukunftssicheren Arbeitsplätzen
für andere. Deutschland braucht Unternehmen, die Ideen in Innovationen verwandeln.
Wir sind zwar arm an Rohstoffen, aber reich an Ideen. Ohne neue Ideen, neue
Geschäftsmodelle, neue Produkte und Dienstleistungen kann unser Land
langfristig weder seine internationale Wettbewerbsfähigkeit noch seinen
Wohlstand halten. Aber ausgerechnet Deutschland bleibt bei der
Gründungskultur erheblich hinter anderen vergleichbaren Staaten wie den USA,
Kanada, Israel oder den Niederlanden zurück. Viele gut ausgebildete Menschen
trauen sich den Schritt in die Selbständigkeit nicht zu, weil sie Bürokratie,
Häme und Stigmatisierung fürchten – und zwar nicht nur im Fall des Scheiterns
ihrer Ideen. Deshalb brauchen wir eine neue Gründerkultur! Mutige Menschen, die für
ihre Ideen brennen, müssen unterstützt und nicht gebremst werden. Die
Gesellschaft muss sie ermutigen, mit ihren Ideen den Schritt in die
Selbständigkeit zu wagen. Dafür müssen wir auch ein Klima der zweiten und
dritten Chance schaffen. Während in Amerika beispielsweise die Erfahrung des
Scheiterns und das Lernen daraus bei vielen Investoren wichtige
Auswahlkriterien für Gründer sind, werden einmal gescheiterte Unternehmer
hierzulande stigmatisiert – teilweise ein Leben lang. Hat man hingegen
Erfolg, gerät man umgehend ins Visier von Neidern und Umverteilern.
So kann kein Pioniergeist aufkommen, den wir in Deutschland so dringend
brauchen. Das müssen wir ändern – durch mehr Engagement für Ideen, flankierende
finanzielle Konzepte und Strukturen, verlässliche rechtliche
Rahmenbedingungen und ein gründungsfreundliches politisches Klima. Dafür
braucht Deutschland: Mehr Engagement für Ideen ·
die Aufnahme des Themas Selbständigkeit und Unternehmertum in den
Lehrplan des Fachs Wirtschaft ab Sekundarstufe I. ·
bessere Kooperationsmöglichkeiten von Schulen durch Brücken in
Unternehmen vor Ort, etwa durch ein breiteres Angebot und eine stärkere
Nutzung von Projekten wie „Unternehmer im Klassenzimmer“ oder „Schüler im
Chefsessel“. ·
eine verlässliche und zukunftsfähige Finanzierung der deutschen
Hochschulen. ·
zusätzliche Lehrstühle für Entrepreneurship an deutschen Hochschulen und
ergänzend/alternativ die Integration von Entrepreneurship-Komponenten in
technikorientierten Studiengängen. ·
„One-Stop-Shops“ für
Unternehmensgründer. In diesen muss mindestens englisch gesprochen werden. ·
die Einführung eines einfachen und punktebasierten Zuwanderungssystems
für ausländische Fachkräfte. Flankierende finanzielle Konzepte und Strukturen ·
die Öffnung bestehender Förderprogramme für Existenzgründer, z.B. auch
für Nichtakademiker. ·
die Entkopplung des Gründerzuschusses von Arbeitslosigkeit. Die Vergabe
findet dann nicht mehr durch die Bundesagentur für Arbeit statt, sondern
beispielsweise durch die KfW. ·
ein Venture-Capital-Gesetz, wie es auch von der „Allianz für Venture
Capital“ aus 16 deutschen Verbänden – etwa BDI, Bitkom,
BVK und Bundesverband deutscher Start-Ups – gefordert wird. ·
Gewinnthesaurierungsmöglichkeiten zur Finanzierung von Investitionen für
Personengesellschaften, so dass die Eigenfinanzierung steuerlich nicht
gegenüber der Fremdfinanzierung benachteiligt wird. ·
die Beseitigung der steuerlichen Benachteiligung von Eigenkapital
gegenüber Fremdkapital insgesamt. ·
die sofortige steuerliche Absetzbarkeit von Wagniskapital-Investitionen
privater Geldgeber. ·
die Beibehaltung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus
Beteiligungen von unter zehn Prozent mit dem Zweck, dass diese auch weiterhin
in neue Start-Ups investiert werden können. ·
eine verbesserte steuerliche Anrechnung von Verlusten beim Erwerb von
Unternehmensanteilen durch neue Gesellschafter. ·
die Einführung einer zwei-Prozent-Klausel für institutionelle Anleger,
die gesetzlich auf besonders konservative Anlagemodelle verpflichtet sind, so
dass sie zwei Prozent ihres investierten Kapitals auch für Start-Ups zur
Verfügung stellen können. Dabei ist das Risiko ohne staatliche Absicherung
von den Investoren selbst zu tragen. ·
staatliche Subventionen nur noch zur Anschubfinanzierung wirklich neuer
Technologien, statt veraltete zu konservieren wie beispielsweise beim EEG. ·
die Gründung eines neuen Börsensegments, das sich am Vorbild der NASDAQ
orientiert und entsprechend den Fokus auf junge Internet- und
Technologiefirmen legt. Auch wenn in Deutschland der „Neue Markt“ gescheitert
ist, verschenkt unser Land nachhaltig große Chancen, wenn hier kein neuer
Anlauf gewagt wird. Gerade der Markt 2.0 ist für eine Marktstimulanz
ein wichtiger psychologischer Faktor. Verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen ·
ein bürokratiefreies erstes Jahr für Existenzgründer, so dass zu Beginn
der Gründungsphase die Anmeldung des Gewerbescheines ausreicht. ·
die Anhebung der Grenzen bei Buchführungs- und ähnlichen Pflichten für
junge und kleine Unternehmen. Die entsprechende Praxis in den
Finanzverwaltungen muss darüber hinaus vereinheitlicht werden. ·
mehr Transparenz und einfachere Regelungen für Gründer bezüglich
Versicherungspflichten in der deutschen Sozialversicherung. ·
die Aussetzung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge und
Rückkehr auf die Fälligkeit am 10. des Folgemonats; das halbiert die
Abrechnungskosten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. ·
mehr Rechtssicherheit bei der Befreiung von Sozialbeiträgen für die
Geschäftsführer von Start-Ups, so dass Teamgründungen nicht weiter gegenüber
Einzelgründungen benachteiligt werden. Solange geschäftsführende
Gesellschafter mindestens zehn Prozent der Anteile am Unternehmen halten,
soll eine Befreiung möglich sein. ·
verbindliche Auskünfte im Steuerrecht durch die Finanzverwaltung, so
dass Planungs- und Rechtssicherheit für Gründer besteht. ·
die Abschaffung der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungspflicht für
Existenzgründer. ·
die Anhebung des Schwellenwertes der IST-Besteuerung von bisher 500.000
Euro auf eine Million Euro zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen für die
ersten drei Jahre nach der Gründung, so dass Steuern erst dann fällig werden,
wenn die erbrachte Leistung tatsächlich bezahlt wurde. ·
die Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen. Eine Halbierung
von zehn auf fünf Jahre ist realistisch und noch immer mehr als genügend für
eine effiziente und moderne Steuerverwaltung. ·
Verbesserungen für Gründer im Bereich der Verlustverwertung beim Verkauf
sowie bei der Mindestbesteuerung. ·
eine Mittelstandsklausel, die vorschreibt, dass Gesetze und Verordnungen
auf ihre Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen geprüft werden. ·
die Schaffung eines einheitlichen und nach Schutzwürdigkeit
differenzierten Datenschutzes in Europa. Dazu muss die Bundesregierung
endlich die Verabschiedung der EU-Datenschutzgrundverordnung vorantreiben. ·
erhöhte Förderung von betriebswirtschaftlicher Beratung für Gründer im
ersten Jahr nach der Gründung, und zwar unabhängig von einer Gründung aus
Arbeitslosigkeit und als begleitende Beratung für nebenberufliche Gründungen.
• Erleichterung nebenberuflicher Gründungen durch besseren Zugang zu
Förderprogrammen. Dies ist v.a. für den Einstieg von Frauen neben der
Familienarbeit eine große Chance, so können tragfähige Selbständigkeiten
entstehen. ·
ergänzend muss ein besserer Übergang geschaffen werden zwischen der
beitragsfreien Familienversicherung und der Einstufung mit dem Mindestbeitrag
in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung. Gründungsfreundliches politisches Klima ·
ein Klima der zweiten und dritten Chance. Scheitern darf kein Stigma
sein – Erfolg kein Grund für Neid. Nur so kommt echter Pioniergeist in
unserem Land auf. ·
ein klares Bekenntnis der Politik zur Technologieoffenheit und
Innovationsfreude Deutschlands. Einige Forschungsfelder sind in Deutschland
schlicht unerwünscht und werden vertrieben ‐ etwa die Biotechnologie. Gründer fühlen sich daher
bei uns nicht willkommen. Das muss beendet werden. Denn in einem feindseligen
Klima gegenüber allem Neuen kann keine starke Gründungskultur wachsen. ·
• verbesserte Möglichkeiten auch unter 18 Jahren ein Unternehmen gründen
zu können. Denn gute Ideen können nicht immer so lange warten. |