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L i b e r a l e T a g e b u c
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Sammlung
Originaldokumente aus „Das Liberale
Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
Neue Chancen für Frauen – I. Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft Die FDP will für Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur formal die gleichen Rechte und Chancen. Unser Ziel ist die Gleichheit der Chancen und Perspektiven in der Lebenswirklichkeit unseres Landes. Dass hinsichtlich der formalen Gleichstellung in Deutschland viel erreicht worden ist, gehört zu den befreienden Wirkungen der Frauenbewegung. Im Bildungswesen und am Arbeitsmarkt haben sich die Chancen für Frauen heute bereits erheblich verbessert – Frauen erzielen durchschnittlich bessere Bildungsabschlüsse als Männer. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels sind Frauen mit ihrer Qualifikation am Arbeitsmarkt zudem in allen Bereichen und Hierarchiestufen unverzichtbar. Ein Bewusstseinswandel zeichnet sich ab. Die faktische rechtliche Gleichstellung von Frauen korrespondiert aber zu oft noch nicht mit der Lebenswirklichkeit, beispielsweise weil die Möglichkeiten, Karriere und Familie zu vereinbaren, unzureichend sind. Frauen werden für vergleichbare Arbeit zudem oft noch schlechter bezahlt als Männer. Und Frauen wählen bestimmte Berufe, Fachrichtungen und Karrierelaufbahnen seltener als Männer. Hier liegen weiter die Herausforderungen für liberale Bildungs-, Familien- und Arbeitsmarktpolitik, um Millionen Arbeitnehmerinnen den Alltag zu erleichtern und um ihre Gleichstellung zu fördern. Die aktuelle öffentliche Debatte kreist dagegen um wenige hundert Führungspositionen in Vorständen und Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Die FDP nimmt ernst, dass Frauen dort und auch in Führungsfunktionen an anderer Stelle noch unterrepräsentiert sind. Im Bereich der mittleren Führungskräfte sind weibliche Arbeitnehmer aber inzwischen weit stärker vertreten. Aus diesem Kreis werden viele in den kommenden Jahren in die Spitze aufsteigen – jahrzehntelange Versäumnisse in der Förderung von exzellenten Frauen können nicht in kurzer Frist beseitigt werden. Die FDP fordert die Wirtschaft auf, ihre gegebenen Zusagen zu erfüllen und im eigenen Interesse die Potenziale von Frauen zu erschließen. Die Koalition wird Transparenz und mehr Verbindlichkeit durch einen Stufenplan, ohne gesetzliche Quote, herstellen. Prinzipiell setzt die FDP zur Förderung von Frauen auf Transparenz, Selbstverpflichtungen, einen Bewusstseinswandel – und vor allem auf die Qualifikation und das Engagement der Frauen selbst, die beide für sich sprechen. Starre, pauschale und branchenunabhängige Quotierungen führen dagegen nicht zu dem gewünschten Ziel, die formale und materielle Gleichstellung zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Sie würden zudem auch unverhältnismäßig in die private Vertragsfreiheit eingreifen. II. Frauen in der FDP Bereits 1987 hat die FDP einen Frauenförderplan beschlossen. Ziel war es, den Anteil der Frauen in den Führungspositionen entsprechend ihres Anteils an der Mitgliedschaft zu erhöhen. Die vom Bundesvorstand in der Vergangenheit beschlossenen Maßnahmen haben zwar punktuelle Erfolge gebracht, sie sind aber zu selten in der Breite der Partei multipliziert worden. Deshalb sind die Wirkungen hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die bisherigen Ergebnisse bleiben beim Anteil weiblicher Wähler, weiblicher Mitglieder und weiblicher Führungskräfte zutiefst unbefriedigend. Die FDP kann und wird es sich nicht länger zulassen, dass die immensen Potenziale qualifizierter und engagierter Frauen innerhalb und außerhalb der FDP nicht genutzt werden. Der Bundesvorstand bestätigt deshalb seine bereits beschlossene Zielsetzung in der FDP als nächsten Zwischenschritt einen Anteil von 30 Prozent Frauen in Mitgliedschaft und unter den Funktions- und Mandatsträgern zu erreichen, so wie es im Präsidium mit 30 Prozent und im Fraktionsvorstand mit 45 Prozent bereits erreicht ist. Wie in Wirtschaft und Gesellschaft setzen wir dazu auch in unserer Parteiorganisation auf den laufenden Bewusstseinswandel in Deutschland und auf den Ausbau formaler Chancengleichheit statt starrer Quotierungen. Für die Verbesserung der durch Frauen auf dieser Basis tatsächlich realisierten Chancen sind aber ein transparentes Berichtswesen, die gezielte Förderung der politischen Qualifikation von Frauen sowie die Unterstützung weiblicher Netzwerke unverzichtbar. Gleichstellung muss gelebt werden und sie muss das gemeinsame Anliegen von Frauen und Männern sein. Der Bundesvorstand beschließt zur Erreichung dieser Ziele: · Die Bundesgeschäftsstelle legt ab sofort zusätzlich zum Geschäftsbericht der Bundespartei im Zwei-Jahres-Turnus eine detaillierte Erfassung der Entwicklung des Frauenanteils in der Bundespartei, den Landesverbänden sowie des Anteils von Frauen in Führungspositionen ausgewählter Gliederungsebenen und Gremien vor. · Das Mentoringprogramm der FDP wird fortgesetzt, weiterentwickelt und bleibt solange auf Frauen konzentriert, bis der Anteil weiblicher Mandats- und Funktionsträger zufriedenstellend ist (siehe gesonderte Beschlussvorlage). · Die FDP führt in diesem Jahr eine Umfrage unter allen weiblichen Mitgliedern durch, um Potenzial, Interessen und Hürden für ein stärkeres Engagement zu ermitteln. · Für das laufende Jahr plant die Bundespartei eine Umfrage unter Kreis- und Ortsverbänden zu politischen und organisatorischen Fragen. Die Beteiligung und Förderung von Frauen in der FDP soll dabei besonders gewichtet werden, um Daten und Ideen zu sammeln sowie um die Problemsensibilität bei den Untergliederungen zu stärken. · Der Bundesvorstand setzt unter Moderation der Bundesgeschäftsführerin eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Landesverbände Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ein, die die höchsten Frauenanteile in den Landesvorständen verzeichnen. Die Arbeitsgruppe wird gebeten, Erfahrungen auszutauschen und übertragbare Handlungsempfehlungen für andere Gliederungen bis zum Jahresende in einem Bericht an den Bundesvorstand vorzulegen. · Die FDP bereitet eine Evaluation ihrer sprachlichen und werblichen Kommunikation vor. Dazu wird insbesondere auch die geschlechtsspezifische Wirkung untersucht werden. Ziel ist es, von Frauen und Männern gleichermaßen als ansprechend empfundene Kommunikationsformen zu finden. Die FDP bemüht sich insbesondere um eine geschlechtsneutrale Sprache. · Die Bundespartei konzipiert auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse bis zum Jahresende eine professionelle Kampagne zur Gewinnung weiblicher Neumitglieder. · Der Bundesvorstand bittet Junge Liberale und Liberale Frauen eine gemeinsame Kampagne zur Gewinnung junger Frauen für die FDP zu konzipieren. Dabei kann auf Ergebnisse einer früheren Taskforce beider Vorfeldorganisationen zurückgegriffen werden. · Der Bundesvorstand unterstreicht, dass Respekt und Offenheit den Umgang der beiden Geschlechter in der FDP prägen. Die FDP verurteilt jede Form von offener oder – etwa durch Humor oder Jovialität getarnter – versteckter geschlechtsspezifischer Diskriminierung. · Der Bundesvorstand begrüßt, dass die Grundsatzkommission der FDP jüngst ein zusätzliches Programmforum „Zukunft der Emanzipation“ eingerichtet hat, das sich mit grundsätzlichen Fragen der Gleichstellung, Frauenförderung, Antidiskriminierung und gesellschaftlicher Vielfalt befasst. · Zur weiteren Akzentuierung der Beratung des Programmforums „Zukunft der Emanzipation“ wird die Bundespartei regelmäßig Termine im Rahmen ihrer neuen Veranstaltungsreihe im Thomas-Dehler-Haus durchführen. · Die Landesvorstände werden gebeten, gemeinsam mit ihren Gliederungen Möglichkeiten zu prüfen, Parteiveranstaltungen soweit als möglich frauen- und familienfreundlicher zu organisieren. · Die Bundesgeschäftsstelle stellt zukünftig eine geschlechtsspezifische Information für Neumitglieder sicher. Frauen sollen gezielt und zentral auf Möglichkeiten der Netzwerkbildung und Förderangebote hingewiesen werden. Dazu gehören auch spezielle Seminare und Aktionstage „Neue Frauen in die Politik“. · Der Bundesvorstand fordert alle Gliederungen zur Kooptierung einer Vertreterin der Liberalen Frauen in den jeweiligen Vorständen auf, soweit dies noch nicht geschehen ist. · Die Bundespartei trägt dafür Sorge, dass auf der Website die Hinweise auf die Vorfeldorganisationen und der damit verbundenen Möglichkeiten des Engagements entsprechend deutlich dargestellt werden. · Der Bundesvorstand befasst sich zweimal jährlich in einem gesonderten Tagesordnungspunkt mit dem Stand der Umsetzung der eingeleiteten Maßnahmen. Dazu werden vorab entsprechende Berichte der Landesverbände erbeten. |