D a s
L i b e r a l e T a g e b u c h
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Sammlung Originaldokumente aus
„Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
Liberalismus ist die Basis für emanzipatorischen Fortschritt Christian Lindner gab der „Stuttgarter Zeitung“ (Ausgabe vom 02.07.2014)
das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Maron: Frage: Wieso ist es falsch, über einen neuen Parteinamen nachzudenken? Lindner: Die FDP hat zwei Stärken. Erstens die große Marktlücke für liberale
Politik in Deutschland und zweitens ihren Traditionsnamen, der auf unsere
Geschichte verweist. Diese Geschichte kennt Höhen und Tiefen. Beides wollen
wir nicht verstecken. Den Namen FDP geben wir deshalb nicht ab. Aus der
Tradition von Theodor Heuss, Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff
oder Gerhart Baum wollen wir nicht austreten. Ganz im Gegenteil, Marktwirtschaft
plus moderne Gesellschaftspolitik hat mehr denn je Zukunft. Frage: Wenn die Marktlücke groß ist, wieso nutzt Ihnen das nicht? Lindner: Gegenwärtig wird das Bild der FDP immer noch stärker durch das
bestimmt, was war, als durch das, was ist und kommt. Da die Möglichkeiten,
öffentlich zu wirken, nach der Bundestagswahl begrenzt sind, müssen wir
Geduld aufbringen, um Konturen wieder kenntlich zu machen. Was wir dabei
nicht brauchen, ist ein neuer Name. Freie Demokratische Partei – das drückt genau
das aus, was wir heute in Deutschland vermissen: Eine Partei für Menschen,
die selber denken und selber anpacken wollen. Frage: Wer Prospekte in blau-gelber Färbung liest, wird erinnert an Möwenpick
und Gurkentruppe. Ist es nicht Zeit für einen Relaunch? Lindner: Es geht jetzt um Substanz und Profil. Mir wurde ja von vielen
empfohlen, die FDP müsse irgendwie gefühliger werden. Dem entgegne ich, dass
die FDP sicher nicht abgewählt worden ist, weil sie zu liberal gewesen wäre.
Im Gegenteil: sie war zum Beispiel zu wenig konsequent marktwirtschaftlich.
Wenn Banken vom Steuerzahler aufgefangen werden, ist das ja nicht
Marktwirtschaft, sondern die Perversion von Marktwirtschaft. Wenn manche sich
Subventionen erschleichen, hat das auch nichts mit Ludwig Erhard zu tun.
Richtig verstanden geht es um fairen Wettbewerb und Entlastung für den
Mittelstand, um Arbeitsplätze und Aufstiegschancen. Wir werden also den Rufen
nach einer verwaschenen Mainstreamprogrammatik
ebenso wenig folgen, wie wir der Versuchung erliegen, unseriös und schrill zu
agieren. Irgendwann einmal kann man dann auch ein paar Grafiker daran setzen,
den Auftritt zu modernisieren. Aber oberflächliche Marketingdiskussionen
werden unserer Lage nicht gerecht. Frage: Sie interessiert das Erfolgsrezept der österreichischen „Neos“. Was fasziniert sie? Lindner: Die Neos sind ein spannendes Projekt,
vertreten in der Sache das, was auch uns wichtig ist. Alle Fragen der
Selbstbestimmung also. Sie fordern eine schlanke Bürokratie und solide
Staatsfinanzen, die unseren Kindern und Enkeln nicht die Luft abschnüren.
Denen sind Bürgerrechte und beste Bildung wichtig. Sie beteiligen die
Mitglieder stark, aber auch Bürgerinnen und Bürger von außen. Aber das
Konzept kann schon deshalb nicht eins zu eins übernommen werden, weil die Neos eine Neugründung sind. Ich beschäftige mich deshalb
übrigens genauso intensiv mit D66 in den Niederlanden. Die sind im Gegensatz
zu den Neos so wie wir eine Traditionspartei, die
vor acht Jahren bei 0,5 Prozent lag und die jetzt bei der Europawahl über 15
Prozent erreichte. Frage: Wie hat das Ihrer Ansicht nach geklappt? Lindner: Durch den Mut, auch gegen den Strom zu schwimmen, wenn nötig. Das wird
auch unser Weg sein. Wenn man uns künftig beschimpft, weil wir zu
marktwirtschaftlichen Prinzipien stehen, dann sage ich: Ja, das tun wir, und
das ist auch gut so. Wer uns vorwirft, dass wir vor neuen Technologien und
Globalisierung keine Angst haben, weil wir die Chancen darin erkennen, der
macht uns ein Kompliment. Wir sehen in der freien Entfaltung des Individuums
keine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern begreifen diese
als emanzipatorischen Fortschritt. Wir wollen nicht zurück in die
Adenauer-Zeit, wie das die AfD will. Wir wollen
eher mehr tun für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es bestätigt uns,
wenn uns Konservative für unser tolerantes Gesellschaftsbild kritisieren und
ich will, dass die FDP sich für ihre Werte nicht mehr entschuldigt. Das hat
D66 und Neos erfolgreich gemacht: dass sie sich
nicht dafür schämen, Liberale zu sein, sondern stolz darauf sind. Frage: Von welcher Marktlücke für die FDP sprechen Sie eigentlich? Lindner: Zwei Beispiele von vielen: Bei der Reform des Erneuerbaren Energiengesetz wurden erneut Dauersubventionen
beschlossen. Bezahlbare Energie bedeutet aber, dass man die Subventionen
streicht und dass man es ermöglicht, Strom auch aus Frankreich oder den
Niederlanden beziehen zu können. Das schafft Wettbewerb und sinkende Preise.
Was mich noch viel mehr umtreibt sind Rufe nach mehr Flexibilität in Europa.
Das bedeutet so viel wie: weniger Reformen, mehr Schulden. Sigmar Gabriel ist
die Speerspitze einer Bewegung, die glaubt, dass der Staat auf Pump Wachstum
und Beschäftigung kaufen kann. Das geht so nicht. Wir werden als Liberale dafür
sorgen, dass der Stabilitätspakt nicht aufgeweicht wird. Die große Koalition
hat im EU-Parlament keine Mehrheit. Herr Juncker braucht die Stimmen der
Liberalen, um als Kommissionspräsident bestätigt zu werden. Die wird er nicht
bekommen, wenn er dem fiskalischen Weichmacher auf zwei Beinen, Sigmar
Gabriel, gestattet, die Erfolge der Reformpolitik zu verspielen. |