Wie Liberalismus per 31.01.12
buchstabiert wird
Interview von Philipp Rösler mit der elde.
Fragen von Christopher Gohl
Frage: Beim Dreikönigstreffen haben
Sie die Leitlinien der FDP als Partei des Wachstums skizziert. Was meinen Sie
damit?
Rösler: Die FDP war und bleibt die
Partei der Freiheit. Aber wir müssen konkret sagen, was wir mit Freiheit
meinen. Ich bin überzeugt, dass in Zukunft die Antwort lauten muss: Freiheit
heißt Wachstum – für Menschen, für Ideen, für Unternehmen, für langfristig
verantwortliche Entwicklung. Ob wir uns zu Wachstum bekennen oder nicht, wird
zur entscheidenden Frage für eine starke Mitte in einem starken Land. Die
anderen Parteien stellen Wachstum in Frage – und damit stellen sie die
Freiheit des Einzelnen, Arbeitsplätze und gesellschaftlichen Fortschritt in
Frage. Wer Wachstum hemmt, hemmt am Ende die Entfaltung jedes Einzelnen.
Frage: Jahrelang stand die Forderung
nach Steuersenkung für die FDP im Mittelpunkt ihrer Programmatik – ist die
Förderung von Wachstum sozusagen die neue Steuersenkung?
Rösler: In der Tat war das Thema Steuersenkung
als Leitmotiv der letzten 15 Jahre sehr erfolgreich. Wir haben mit diesem
Thema für alle greifbar gezeigt, dass wir uns das Verhältnis zwischen Staat
und Bürger, Erwirtschaftung und Ausgaben gänzlich anders vorstellen als die
anderen Parteien. Wir konnten mit diesem Beispiel begründen, warum
Staatsaufgaben, Bürokratie und Subventionen abgebaut werden sollten, und
warum Investitionen in Wachstum wichtig sind. Und mit der Zuspitzung „Mehr
Netto vom Brutto“ konnten wir die Wähler der vergessenen Mitte mobilisieren.
Am Ende waren wir vielleicht zu erfolgreich – das breite Programm der FDP ist
in der Öffentlichkeit auf diese eine Forderung reduziert worden. Die
Forderung bleibt richtig und wichtig, schon um Wachstum zu fördern. Aber
Wachstum ist jetzt das neue Leitmotiv.
Frage: Wie wollen Sie denn vermeiden,
dass die FDP wieder nur auf ein Thema reduziert wird?
Rösler: Erst einmal müssen wir das
neue Leitmotiv als Partei überhaupt verinnerlichen und auf allen Ebenen durchdeklinieren. Das geht nicht über Nacht, und das geht
auch nicht für jedes Thema. Freiheit durch Bürgerrechte kann nicht unter das
Leitmotiv Wachstum gezwängt werden. Aber das Leitmotiv Wachstum kann viel
breiter variiert werden als die Forderung nach Steuersenkung. Es greift
ähnliche Themen wie die Steuersenkung auf, es steht für die Wirtschafts- und
Finanzkompetenz der FDP. Aber über das Wirtschaftswachstum hinaus steht es
auch für den gesellschaftspolitischen Anspruch der FDP: für persönliches
Wachstum und Entfaltung, für die Bedeutung von Bildung, für den Fortschritt
der Gesellschaft, für Technik, Innovationen und eine bezahlbare ökologische
Modernisierung, für Investitionen in unseren Wohlstand und die Zukunft.
Wachstum ist Leben. Wesenszug einer freien Gesellschaft ist, dass sie wächst.
Das ist darüber hinaus ein entscheidendes, breites und emotionales Thema.
Frage: Gegenwärtig wird viel darüber
diskutiert, ob wir weiterhin auf Wachstum angewiesen sind, um unseren
Wohlstand zu sichern. Viele fordern gar den Verzicht auf Wachstum. Vor dem
Hintergrund schwindender Ressourcen, dem Raubbau an der Natur und dem
Klimawandel müsse man umdenken. Warum hält die FDP am Wachstum fest?
Rösler: Es ist grober Unfug, Wachstum
zu verteufeln. Das ist die Mode einer trägen, selbstzufriedenen Gesellschaft,
die vergessen hat, wie das Brot auf den Tisch kommt. Weder die Begrenztheit
bestimmter natürlicher Ressourcen noch der Klimawandel sind stichhaltige
Argumente gegen das Wachstum – im Gegenteil. Wachstum heißt doch nicht, dass
wir endliche Ressourcen ausbeuten und abbrennen, um Überfluss zu mehren.
Wachstum heißt, dass wir Wohlstand auch dort möglich machen, wo er heute nur
ein Traum ist. Wachstum heißt, dass wir mit kreativen Lösungen mehr Effizienz
bei der Ressourcennutzung erreichen. Beispiel Luftverschmutzung in den
Städten: Vor 100 Jahren war die Luft viel dreckiger als heute. Technische
Innovation, die vom Markt belohnt wurde, hat die Kohleöfen ersetzt. Richtig
verstandenes Wachstum ist der einzige Weg, um in Deutschland, Europa und der
Welt Lebensqualität und Sicherheit auf Dauer gewährleisten zu können und die
großen Ziele der Menschheit zu erreichen – mehr Chancen für mehr Menschen auf
ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand im Einklang mit der Natur.
Frage: Selbst Finanzminister Wolfgang
Schäuble hat kürzlich gesagt, die westlichen Volkswirtschaften hätten eine
gewisse Saturiertheit erreicht. Das Wachstum in den Industrieländern müsse
begrenzt werden.
Rösler: Da sieht man, dass die
Wachstumsfeindschaft schon ins Zentrum der Union hineinreicht, und wie
wichtig die FDP ist. Saturiert ist doch nicht, in einer relativ wohlhabenden
Gesellschaft zu leben, sondern ihre Grundlagen zu vergessen. Wir stehen im
globalen Wettbewerb, und wir sind derzeit die Lokomotive Europas. Jetzt wie
Schäuble Wachstum kleinreden zu wollen, ist gefährlich. Wie soll denn die
Begrenzung aussehen? Stellen wir dann am 14. September 2012 fest: Genug
gewachsen für dieses Jahr – alle Maschinen aus, Menschen nach Hause? Weist
das Patentamt dann Erfindungen zurück? Oder soll Wachstum über neue Steuern
und Abgaben für besonders wachstumsintensive Wirtschaftszweige gehemmt
werden? Absurde Vorstellungen.
Frage: Sie sind da ziemlich
leidenschaftlich.
Rösler: Ja, selbstverständlich! Für
uns Liberale ist Wachstum Ausdruck und Ergebnis selbstbestimmten Handelns.
Eine Gesellschaft, die kein Wachstum mehr kennt, ist eine statische, eine
sterbende Gesellschaft. Hier geht es ans Eingemachte – nicht nur an unsere
Grundwerte, sondern an die Fundamente einer lebenswerten Zukunft für unsere Kinder
und alle Menschen auf der Welt. Die Freiheit zum Wachstum wird die
entscheidende Aufgabe unserer Zeit. Das ist eine Aufgabe, der wir uns von
jedem Ortsbeirat an aufwärts stellen werden. Da steht die FDP als
Wachstums-Partei, dafür kämpfen wir als gesellschaftliche Kraft!
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