D a
s L i b e r a l e T a g e b u c h
|
Sammlung
Originaldokumente aus „Das Liberale
Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
(26.07.2007)
Matthias Platzeck: Sagt doch einfach "soziale Demokratie"
Der
Zusammenschluss von PDS
und WASG
verändert das deutsche Parteiensystem - jedenfalls vorläufig. In dieser neuen
Lage sollten Sozialdemokraten mit großem Selbstbewusstsein agieren. Viel
kommt für die SPD jetzt darauf an, dass sie sich nicht auf das lafontainesche
Muster krakeelender Konfrontation einlässt. Schon
die lauthals verkündeten Absichten der Lafontainelinken zeigen, wohin deren
Reise geht. Da ist die Rede vom völlig "anderen System" als Ziel
und vom "politischen Generalstreik" als Mittel. Gefordert wird die
Verstaatlichung ganzer Wirtschaftszweige. Lafontaines Partei hat sich nicht
weniger vorgenommen als den Aufbau eines "Sozialismus des 21.
Jahrhunderts". Ihr leuchtendes Vorbild ist das Regime des
venezolanischen Populisten Hugo Chávez. Der ließ in seinem Land gerade erst
den letzten oppositionellen Fernsehsender abschalten. Die
Partei, die solchen Vorbildern folgt, hat sich den Namen "Die
Linke" gegeben. Wer sich so bezeichnet, beansprucht die exklusive
Deutungshoheit darüber, was als "links" zu verstehen sei.
"Links" soll künftig das sein, was Oskar Lafontaine gerade für links
erklärt. Inhaltlich haben wir es hier mit einem verqueren und
geschichtsblinden Begriff linker Politik zu tun. Vorbildlich
"links" wären anderenfalls ab sofort revolutionäre Systemwechsel,
massive Verstaatlichungen und südamerikanische Potentaten. Das
alles ist absurd. Das haltlose Gerede vom "Systemwechsel" hilft
keinem einzigen Menschen in seinem konkreten Alltag auch nur ein Stück
weiter. Wo sich Politik im Namen vermeintlich "linker" Ideale
derartig diskreditiert, kann die Akzeptanz für jede aufgeklärte
Fortschrittspolitik, die an historisch linke Ideen anknüpft, gleich mit
beschädigt werden. Deshalb
müssen Sozialdemokraten gerade jetzt besonders offensiv für eine Politik
eintreten, die sich an handfesten Lebens- und Aufstiegschancen für alle orientiert.
Diese
progressive Version linker Politik brauchen wir heute in Deutschland
unbedingt - eine zwischen DDR und Venezuela irrlichternder
Lafontainepartei leistet dazu keinerlei Beitrag. Die
SPD beginge einen schweren Fehler, würde sie sich auf einen Wettkampf in
Lafontaines Lieblingsdisziplinen Demagogie und Ressentiment einlassen. Das
positive Zukunftsprojekt der Sozialdemokratie muss stattdessen der
Vorsorgende Sozialstaat sein. Dass sich zeitgemäße soziale Investitionen in
Menschen und Infrastruktur auszahlen, wissen wir längst. Die effizientesten,
wohlhabendsten und gerechtesten Länder der Welt finden wir heute nicht in
Südamerika, sondern in Skandinavien. Von diesen modernen Gesellschaften
können wir lernen, von autoritären lateinamerikanischen Ölregimes nicht. Noch
etwas ist neu: Mit der Gründung der Lafontainelinken hat die PDS
aufgehört zu existieren. Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass die
Postkommunisten im Osten Erfolg hatten, weil sie besonders "links"
oder "sozialistisch" gewesen wären. Vielmehr wurde die PDS im
Alltag als Partei der pragmatischen Kümmerer erlebt. Man musste die Ex-SED nicht
mögen - eine eingewurzelte "Heimatpartei" des Ostens war sie
durchaus. Mit der Majorisierung der PDS-Genossen durch
hartgesottene westdeutsche Funktionäre ist das vorbei. Für die SPD ergeben
sich daraus in Ostdeutschland ganz neue Chancen. Klar
ist: Eine Koalition der SPD mit den Lafontainelinken ist angesichts Ihrer
illusionistischen Politik undenkbar. In den ostdeutschen Ländern hatte sich
die PDS
zu einer realistischen politischen Kraft entwickelt. Die nächste Zeit wird
zeigen, ob sie auch hier dem Lafontainekurs folgt. Was
für die Menschen in Deutschland aber wirklich zählt, sind konkrete
Ergebnisse, wirkliche Lebens- und Aufstiegschancen für alle. Das ist die
große "linke" Aufgabe im 21. Jahrhundert. Welchen Namen das
historische Projekt der SPD in Zukunft tragen soll? "Sagt doch einfach
'soziale Demokratie", empfahl einst Willy Brandt. Ich finde, das bleibt
ein richtig guter Rat. Zum Autor:
Matthias
Platzeck ist Ministerpräsident des Landes Brandenburg
und Landesvorsitzender der SPD in Brandenburg. |